E-Health-Unternehmen haben nicht nur das Potenzial, die Gesundheitsversorgung für Patient*innen schneller und besser zu machen, sondern auch, die lang verloren geglaubte Work-Life-Balance bei Ärztinnen, Ärzten und anderen Gesundheitsberuflern wie Hebammen wieder herzustellen.
Mehr dazu in meiner aktuellen Kolumne für E-HEALTH-COM:
E-Health – die neue Schweiz?
Der Berg rief, und Leute folgten. Der Berg, das ist die Schweiz und ihr Gesundheitssystem, und die Leute, das ist die unter deutschen Chefärzten als faul und freizeitorientiert verschriene Generation Y. Viele junge (und inzwischen nicht mehr ganz so junge) Ärztinnen und Ärzte sind gut angekommen. Einige, so hört man, können inzwischen sogar schon die Anamnese eines völlig unbekannten, multimorbiden, mehrfach voroperierten und ohne jegliche Unterlagen oder Medikamente anreisenden Patienten in fließendem Schweizerdeutsch erheben.
So weit, so gut. Doch ein paar Gesundheitsberufler sind in deutschen Krankenhäusern verblieben, sei es aus sprachlichen, familiären oder wissenschaftlichen Gründen, oder weil sie durch eine sozial indizierte stationäre Aufnahme in ihrem Haus am späten Freitagnachmittag den Flieger nach Zürich verpasst haben. Diese Kolleginnen und Kollegen, so stellte das Deutsche Ärzteblatt anhand einer Umfrage unter 1800 bayrischen Ärzten kürzlich fest, sind immer noch unzufrieden mit ihrer Work-Life-Balance. 80 Prozent hätten gern Mitsprache bei der Festlegung ihrer Arbeitszeiten, 17 Prozent haben sie. Immerhin die Hälfte fanden, dass Arztberuf und Familie „prinzipiell vereinbar“ seien. (Vielleicht nur nicht in derselben Familie? Hierzu gibt die Studie keine Auskunft.)
Gleichzeitig beklagen Patienten fehlende Waiting-Life-Balance: Hausarztpatienten warten auf Facharzttermine, Herzinfarktpatienten in der Notaufnahme warten darauf, dass die Patienten mit Schnupfen die Sitzplätze frei machen, und Schwangere warten darauf, eine der letzten verbliebenen Hebammen des Landes abzukriegen. Die, die das Warten besonders leid sind und das nötige Kleingeld haben, können sich bei einem Berliner Startup nun die Hebamme per Skype in Haus holen. Ursprünglich als Lösung für Gegenden mit schlechterer Gesundheitsversorgung, aber besserem mobilem Internet als Deutschland (beispielsweise Pakistan und Tansania) gedacht, zählen nun auch viele in Deutschland ansässige Frauen zu den Kundinnen.
Gründerin Sabine Kroh berichtete im Gespräch, dass sie mit ihrem Startup nicht nur wunde Babypos und die althergebrachte Weltanschauung so mancher Hebammenfunktionärin disruptiert, sondern vor allem die Arbeitszufriedenheit ihrer freien Mitarbeiterinnen. Statt etwa 30 EUR für einen einstündigen Hausesuch, Parkplatzsuche nicht mitgerechnet, erhielten diese nun ein Honorar, das auch die Selbstständigkeit in Teilzeit wieder attraktiv erscheinen lasse. Bezahlt wird dies bisher noch von den Familien selbst – man sei aber in Gesprächen mit Krankenkassen.
Kroh und Team sind kein Einzelfall: Immer mehr E-Health-Startups gründen sich in Deutschland und Europa. Da stellt sich die Frage: Werden Krankenhäuser und Praxen in Zukunft mit E-Health und Telemedizin um Personal konkurrieren statt mit dem Schweizer Gesundheitswesen? Die Gefahr ist ganz real. Es gilt daher, die Ausbildung von Studentinnen und Studenten hinsichtlich IT und Digitalisierung in der Medizin konsequent zurückzufahren, um eine solche Abwanderung im Keim zu ersticken. Es wird ja an deutschen Hochschulen auch kein medizinisches Schweizerdeutsch gelehrt.
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