Interview: Neue Technologien helfen beim Austausch zwischen Ärzten und MFA

Oft gefordert, selten erreicht: Neue Technologien sollten ganz konkreten „Mehrwert“ für Ärzte haben. Ein Beispiel für eine Anwendung, die Mehrwert nicht nur für niedergelassene Ärzte, sondern auch für Medizinische Fachangestellte (MFA) und andere Praxismitarbeiter hat, ist die Plattform Teramed. Dort wird nicht nur rege über jegliche Themen des Praxismanagements und der täglichen Arbeit diskutiert, sondern es werden auch QM-Vorlagen ausgetauscht, praxisrelevante Anleitungen publiziert und Stellenanzeigen geschaltet.

Mehr dazu erzählt mein Interviewgast Dr. Ralph Jäger, niedergelassener Allgemeinmediziner und Gründer von Teramed.

Hallo Herr Jäger – schön, dass Sie sich zu diesem Interview bereit erklärt haben. Sie sind der Gründer des Onlineportals teramed.de für Ärzte und MFAs. Seit wann gibt es das Portal und warum haben Sie es ins Leben gerufen?

In meiner lokalen Umgebung herrschte ein hoher Konkurrenzdruck, und es war schwierig, an Informationen zu gelangen.

Ich habe 2008 angefangen mit einem Blog namens Update Arztpraxis. Ich beschrieb dort meine Erfahrung als niedergelassener Hausarzt in den Anfängen in einer ländlichen Umgebung. Ich wollte einen Austausch zwischen den Ärzten erreichen, denn in meiner lokalen Umgebung herrschte ein hoher Konkurrenzdruck, und es war schwierig, an Informationen zu gelangen. Ich habe eine Praxis übernommen – eine sehr große Einzelpraxis damals – die einfach nicht mehr zeitgemäß aufgestellt war. Die Atmosphäre war stressreich.

Ich wollte stattdessen für mich selbst erreichen, dass die Patienten eine umfassende und qualitativ hochwertige Patientenversorgung erhalten, dass die Ärzte und MFAs in einer stressfreien Atmosphäre arbeiten konnten, und dass wir alle gesicherte Arbeitsplätze erhielten. Auch Gewinnoptimierung war natürlich eines der Ziele, um Stabilität zu gewährleisten.
Um diese Ziele zu erreichen, musste ich diese große alteingesessene Landarztpraxis völlig umstrukturieren. Daher habe ich mein Blog eben so benannt: Update Arztpraxis.

Die erste Herausforderung war für mich die Einführung einer Terminsprechstunde, dann ging es weiter über die EBM-Reform und die Umstellung auf eine papierlose Praxis. Aus meinen Blogbeiträgen zu diesen Themen entstand auch eine große Sammlung an Vorlagen für das Praxis-QM. Diese waren und sind sehr beliebt und wurden oft heruntergeladen. Allerdings basierte meine Blogplattform auf WordPress, und es wurde schwer, diese Dateien noch sinnvoll zu strukturieren. Auch die Kommentare wurden zunehmend mehr, und es entwickelten sich vielfältige Diskussionen, so dass ich einfach auf eine neue technologische Plattform umgestiegen bin. Diese habe ich unter einem neuen und griffigeren Namen, „teramed.de“, online gestellt.

Wann war diese Umstellung?

Vor 2013, schätze ich, das hat sich sukzessive verändert. Ich habe erst die Forenfunktion in das Portal verschoben, und dann 2013 diese neue Domain aktiviert, damit ich einen komplett neuen Anfang machen konnte.

Am Anfang stand also das Problem, sich lokal mit den Kollegen auszutauschen, weil die Praxen lokal unter starkem Konkurrenzdruck standen. Das heißt ihre Besucher und Nutzer kamen von Anfang an aus ganz Deutschland?

Das ist richtig. Sie müssen sich vorstellen: Als junger Arzt in Weiterbildung für Allgemeinmedizin mit dem Ziel der Niederlassung habe ich natürlich versucht, lokal an Informationen heranzukommen. Also ganz einfache Fragen, zum Beispiel: Wenn man eine Terminsprechstunde einführt als Hausarzt, wieviel Zeit muss man dem Patienten dann für ein „normales“ Problem einräumen? Solche Informationen habe ich von Kollegen vor Ort nicht erhalten, auch wenn ich sie direkt angesprochen habe. Möglicherweise wussten es die Kollegen selbst nicht genau oder befürchteten auch eine gewisse Konkurrenz.

Aus dem Grund habe ich mir gedacht: Im Internet erfahre ich das alles und kann mich mit Kollegen aus ganz Deutschland austauschen und neue Ideen kennenlernen. Dort ist die Angst geringer: Wer aus Norddeutschland mir in Süddeutschland die Informationen gibt, muss sich nicht fürchten.

[Konkurrenz ist] vor allem ein gefühltes Problem.

Man hört öfter, dass der Erfahrungsaustausch lokal von der dahinter liegenden Konkurrenzsituation behindert wird.

Ja, und ich glaube, dass das vor allem ein gefühltes Problem ist. Wir haben ja als niedergelassene Ärzte oftmals einen großen Andrang an Patienten, vor allem, wenn wir nicht in einer Großstadt arbeiten. Es kann eigentlich nichts schief gehen. Es ist aber schon eine gefühlte Konkurrenz da.

Haben Sie sich damals frisch aus der Klinik niedergelassen?

Genau. Ich habe meine Weiterbildung fortgeführt in dieser großen ländlichen Praxis mit dem Ziel, mich als Landarzt niederzulassen. Ich finde diese Umgebung sehr angenehm, die Familie hat eine sehr hohe Lebensqualität. Als Arzt empfinde ich es auch als Bereicherung, dass man das ganze Spektrum der Patienten sieht und das Gefühl hat, man kann tatsächlich etwas für die Menschen tun.

Sind denn die Nutzer, die mit Ihnen und miteinander auf teramed.de diskutieren, auch zu einem großen Anteil Haus- und Landärzte, also Allgemeinmediziner, oder sind auch mittlerweile andere Fachgruppen dazu gekommen?

Wir haben zurzeit das ganze Spektrum auf Teramed, hauptsächlich sind die Mitglieder aus dem Bereich der hausärztlichen Versorgung, weil diese den größten Anteil der niedergelassen Ärzte ausmachen. Es gibt aber auch Neurologen, Kardiologen, Orthopäden, Chirurgen…

Auf Teramed wird ja ganz angeregt diskutiert. Sehen Sie dort, was die wichtigsten Probleme im Niedergelassenen-Alltag sind?

Wer sagt seinem Chef schon gern unangenehme Wahrheiten?

Mich bereichern die Diskussionen dort sehr. Als Arbeitgeber und als Arzt interessiere ich mich sehr dafür, was meine Mitarbeiter denken: Was sind ihre Probleme und Wünsche? Natürlich kann ich auch auf meine medizinischen Fachangestellten oder die angestellten Ärzte zukommen und sie direkt danach fragen, aber dort gibt es immer auch eine gewisse Hürde. Wer sagt seinem Chef schon gern unangenehme Wahrheiten?
Aus diesem Grund verfolge ich die Diskussionen mit großem Interesse und kann dann konstruktiv in meinen eigenen Arztpraxen etwas zum Positiven verändern.

Die konkrete Rückmeldung von Nutzern über Teramed ist recht positiv. In anderen Foren und Mailinglisten ist dagegen das Feedback für Teramed teilweise negativ und sozusagen „trollig“. Wer weiß schon, warum – davon lassen wir uns nicht abschrecken.

Elektronische Kommunikation für Ärzte und MFAsDas ist ja vielleicht auch eine Konkurrenzsituation – es gibt mittlerweile einige Communitys im ärztlichen Bereich, die alle eine kritische Masse erreichen wollen.

Wir [Ärzte und MFA] können voneinander lernen.

Das ist richtig. Die Besonderheit von Teramed ist jedoch, dass eben die verschiedenen Berufsgruppen zusammengebracht werden. Ich möchte ein Austausch von allen, die in der ambulanten Versorgung tätig sind, im Besonderen eben der medizinischen Fachangestellten und Ärzte. Und ich will kein abgeschottetes Netz der medizinischen Fachangestellten auf Facebook auf der einen Seite und die Ärzte in diesen klassischen Mailinglisten auf der anderen Seite. Wir können voneinander lernen. Und genau das ist das Ziel dieser Plattform.

Man sieht, dass die MFAs sich rege beteiligen.

Da habe ich auch erste positive Erfahrungen gemacht, das hat mich gefreut. Zum Beispiel, als sich einmal eine Ärztin gewundert hat, warum die medizinischen Fachangestellten nicht selbstständig arbeiten. Sie hat das so empfunden: Warum machen die denn ihre Arbeit nicht?
Ein Praxisberater hat sich netterweise moderierend eingeklinkt und hat beschrieben, dass vielleicht unterschiedliche Erwartungen an die Arbeitsplätze herrschen. Und als nächstes hat sich eine sehr erfahrene MFA eingeschaltet und gesagt, dass früher die leitende Arzthelferin sich um alles gekümmert hat, inklusive Abrechnung und Organisation. Sie hat den Laden geschmissen und wurde dementsprechend vom Praxisinhaber geschätzt und sogar in die Familie integriert.

Man muss wieder anfangen, zu delegieren und zu vertrauen. Beide Seiten brauchen dabei Hilfestellungen.

Der Beruf hat sich dann gewandelt, mit der Zeit haben die Ärzte diese ganzen Organisationsthemen selbst übernommen, und die medizinischen Fachangestellten waren nur noch für die Anmeldung und Patientenannahme zuständig. Und es herrschte dann zunehmend ein autoritärer Führungsstil und die MFAs haben natürlich das gemacht, was man ihnen gesagt hat. In der Zwischenzeit ändert sich der Stil wieder: Es gibt diese neue Praxismanagerin, die mehr Verantwortung tragen und sich verantwortlich fühlen soll.
So ist ein Konfliktbereich entstanden: Man muss wieder anfangen, zu delegieren und zu vertrauen. Beide Seiten brauchen dabei Hilfestellungen.

A propos MFA: Sie geben den Praxen auf Teramed ja auch die Möglichkeit, Stellenanzeigen aufzugeben.

Genau, das ist eigentlich ein Nebenthema gewesen, aber ich wurde oft gefragt, ob man auf Teramed nicht eine Stellenanzeige aufgeben kann. Herkömmlicherweise werden Stellen ja beispielsweise in der Zeitung inseriert. Nur lesen die MFAs heutzutage nicht weniger die Zeitung, sondern vielmehr Facebook. Unsere Stellenanzeigen werden daher gleichzeitig auf Facebook verbreitet.

Wie finden denn neue Besucher zu Ihnen? Kommen die über Mundpropaganda, über Facebook, über Suchmaschinen?

Eine sehr interessante und wichtige Frage. Die meisten Besucher finden über Suchmaschinen, an erster Stelle Google, zu uns. An zweiter Stelle kommt Facebook – vor allem dann, wenn ich eine neue Vorlage erstellt habe, die dann sehr schnell auf Facebook geteilt wird.

Teramed hat also schon ein ganz gutes Eigenleben.

Richtig – es ist ein Eigenleben. Und dieses Eigenleben möchte ich auch gar nicht zu sehr forcieren oder zerstören. In den Sommermonaten zum Beispiel ist nur ganz wenig los, zum Quartalsende mehr, denn da beschäftigen sich die Leute sehr stark mit den Abrechnungsfragen. Das ist so auch in Ordnung.

Wie ist es den mit der technischen Seite, liegt die auch noch ganz in ihrer Hand?

Ja, komplett, weil wir sowieso für unser Intranet in unseren Praxen einen eigenen Server haben.

Haben sie eine ungefähre Vorstellung davon, wie Ihr Traffic aussieht?

Ich behalte das gerne im Auge, das ist eine nette Spielerei. Es sind zur Zeit täglich 2.000 Benutzer, also Unique Visitors – das ist ein schönes Ergebnis. Die Plattform ist auch skalierbar und hat auch in Zeiten mit 10.000 Besuchern am Tag keine Probleme gemacht. Kurz nach Versendung des Newsletters, der jeden Montag um sechs Uhr morgens rausgeschickt wird, habe ich auch immer enorm viele Nutzer auf der Plattform.

Die Leute kommen also beim Kaffeetrinken.

Ja, das ist die Arbeitsweise vieler Ärzte. Ärzte und MFAs sind hauptsächlich Montag und Dienstag auf Teramed und hauptsächlich vor der Arbeit, zwischen sechs und sieben Uhr. Und in der Mittagspause am Montag und Dienstag. Am Freitag und Samstag ist gar nichts los, und am Sonntagabend ist wieder die Vorbereitungszeit. Da sieht man auch, dass die Benutzer über konkrete Suchanfragen auf Teramed gekommen sind – ich denke, dass das sehr engagierte Mitarbeiter oder Ärzte sind.

Also Leute, die am Wochenende auf Ideen gekommen sind und diese jetzt umsetzen möchten.

Genau.

Sie haben gerade schon gesagt, dass sie über die Zukunft von teramed nachdenken. Welche Ideen haben Sie denn schon im Hinterkopf?

Ich beobachte ja, was die Besucher von Teramed besonders gern nutzen, und möchte sie auch mitentscheiden lassen. Vorschläge sind immer willkommen, ich erhalte auch oft welche per E-Mail.

Prinzipiell will ich mich weiterhin auf den verbesserten Austausch der verschiedenen Berufsgruppen konzentrieren. Dieses Grundelement darf nicht verlorengehen.

Einzelne konkrete Ideen sind ein Marktplatz, auf dem beispielsweise gebrauchte Geräte angeboten werden können, oder ein Marktplatz für eigene Vorlagen der Mitglieder.

Haben Sie selbst noch ein Fazit für die Leser?

Wichtig ist mir, dass wir uns ins Zukunft als Ärzte in der ambulanten Gesundheitsversorgung zeitgemäß entwickeln.

Wichtig ist mir, dass wir uns ins Zukunft als Ärzte in der ambulanten Gesundheitsversorgung zeitgemäß entwickeln und vorhandene Technologien nutzen, um uns besser auszutauschen und gemeinsam eine hohe Qualität für die Patienten zu sichern. Ich sehe die Technologien als Chance für mehr Austausch untereinander, damit sich auch neue Ideen entwickeln. Das ist mein Kerngedanke.

Lieber Herr Jäger, vielen Dank für das ausführliche Interview – und weiterhin viel Erfolg mit Teramed!


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