Gastbeitrag: Bei welchen Krankheiten wird Dr. Internet konsultiert?

Ein Gastbeitrag von Anna Oelsner, BeyondHealth.

Dr. Internet braucht dringend eine Weiterbildung

Seit Tagen pochende Kopfschmerzen, der Schnupfen will nicht so recht verschwinden und dann juckt es gerade auch noch an einer Stelle, über die man wirklich nicht mit jedem reden möchte… Der Griff zum Tablet, zum Smartphone oder PC ist da oft kürzer als der Weg zum Arzt. Doch die Informationen, die Dr. Internet liefert, sind oft unzuverlässig. Welche Mängel Gesundheitsseiten aufweisen und welche Krankheiten die Deutschen besonders häufig im Netz suchen, hat die Central Versicherung in einer Studie untersucht.

Die Studie basiert auf 41,2 Millionen Suchanfragen bei Google im Zeitraum von November 2013 bis Oktober 2014 deutschlandweit. Im September 2015 wurde die Studie veröffentlicht.

Die fleißigsten Gesundheitssucher sind die Hamburger, dicht gefolgt von Bremern und Berlinern. Hier sucht im Durchschnitt jeder mindestens einmal im Jahr nach Gesundheitsinformationen im Netz. In den neuen Bundesländern ist die Bereitschaft, Krankheiten zu googeln, eher niedrig.

Insgesamt wurden Suchanfragen für 50 Krankheiten untersucht. Diese Krankheiten setzen sich wie folgt zusammen:

  • 35 werden laut Allgemein- und Fachärzten besonders häufig diagnostiziert,
  • 15 wurden von einem Ärzteteam der Central Versicherung als sogenannte Tabukrankheiten identifiziert, also Krankheiten, bei denen Betroffene eher zögern einen Arzt aufzusuchen, wie beispielsweise Magersucht.

Dr. Internet fragen, wenn’s unangenehm wird

Generell suchen die Deutschen am häufigsten nach Schilddrüsenvergrößerung (durchschnittlich 294.000 Mal pro Monat), dicht gefolgt von Diabetes, Hämorrhoiden, aber auch Magersucht und ADHS.
Die Schilddrüsenvergrößerung ist eine Erkrankung mit unspezifischen Symptomen wie Schluckstörungen oder Heiserkeit. Auch gibt es hier eine Vielzahl an Therapiemöglichkeiten und zahlreiche Ursachen für die Erkrankung. Um sich in diesem Dickicht eine Übersicht zu verschaffen, wird oft nach Hilfe im Netz gesucht.

In Deutschland wird Dr. Internet also befragt, wenn es um

  • chronische Krankheiten,
  • psychische Leiden und
  • Tabukrankheiten

geht.

Regional gibt es wiederum Unterschiede, welche Krankheiten besonders häufig gesucht werden. Prostatavergrößerung ist ein weit verbreiteter Suchbegriff und wohl auch eine Tabuerkrankung, bei der man(n) lieber zuerst das Internet konsultiert.

Aber es gibt auch Suchanfragen, die in einzelnen Bundesländern besonders hoch vertreten sind, wie durchgebrochene Zähne in Baden-Württemberg oder Hämorrhoiden in Bayern.

Im Durchschnitt ausreichend

In der Studie wurden 100 Webseiten mit Gesundheitsinformationen ausgewertet – mit ernüchternden Ergebnissen: Im Durchschnitt wurden alle untersuchten Webseiten mit der Note 4+ bewertet. Keine konnte mit der Note sehr gut abschließen, nur neun von 100 Seiten erhielten die Note 2.
Vor allem unter inhaltlichen Gesichtspunkten konnte über die Hälfte der Webseiten nur die Note ausreichend oder schlechter erreichen.

Positiv ist zu bewerten:

  • die Informationen auf den untersuchten Seiten waren in der Mehrzahl auch für Laien verständlich aufbereitet und
  • 75% der Gesundheitsinformationen wurden von geschultem Fachpersonal neutral verfasst oder verwiesen auf zuverlässige Quellen.

Allerdings überwiegt die Anzahl der negativen Merkmale:

  • Zwei Drittel der Seiten führen keine weiteren Krankheiten auf, bei denen die gesuchten Symptome auftreten können.
  • Ebenfalls zwei Drittel der untersuchten Webseiten geben nicht an, welche Folgen eine ausbleibende Therapie haben kann und wann ein Arzt aufgesucht werden sollte.
  • Die Mehrheit der Webseiten waren nicht aktuell und lieferten keine ausreichenden Quellenangaben.

Detaillierte Angaben sind im Ergebnisbericht der Studie zu finden.

„Dieses Ergebnis ist besorgniserregend, und es wird höchste Zeit, dass sich die großen Informationsanbieter, aber auch die gesamte Gesundheitsbranche mit der Qualität der Gesundheitsinformationen im Internet auseinandersetzen“, fordert Dr. Markus Homann, Leiter des Gesundheitsmanagements der Central Krankenversicherung.

Krankheitssuche im Internet gehört längst schon zum Alltag

Die Studie der Central Versicherung attestiert Dr. Internet einen deutlichen Verbesserungsbedarf: „Bei Gesundheitsinformationen im Internet muss man im Sinne der Patientensicherheit akribisch und streng sein. Die meisten Angebote dagegen sind unvollständig, fehlerhaft und lassen den Suchenden oft ohne jegliche Einordnung zurück“, betont Dr. Markus Homann, Leiter des Gesundheitsmanagements der Central Krankenversicherung. Patienten müssen unbedingt zu einem Arztbesuch und nicht zur Selbstdiagnose motiviert werden.
Kürzlich ergab eine repräsentative Umfrage des Bundesverbandes der Arzneimittelhersteller, dass jeder zweite Deutsche schon einmal nach Informationen über Krankheiten im Internet gesucht hat. Dabei liege der Fokus auf der Suche auf Suchmaschinen wie Google, aber auch Gesundheitsblogs oder Gesundheitsforen sind beliebte Anlaufstellen bei Fragen zu schweren und leichten Erkrankungen.

Verbindliche Standards für Gesundheitsinformationen im Netz sind also längst überfällig.

Foto Anna OelsnerAnna Oelsner bloggt bei der Personalberatung im Gesundheitswesen BeyondHealth über Karrieremanagement für Ärzte und Innovationen im Bereich Health Care. Die studierte Medienwissenschaftlerin steht dabei in regem Autausch mit Experten aus dem Gesundheitswesen.