Kochen ist ein gefährliches Hobby: neben diversen heißen Oberflächen und ungekühlten Tiramisu-Resten von der letzten Grillparty lauern auch scharfe Gegenstände dem Koch oder der Köchin auf. So manche Fingerkuppe ist auf diese Weise schon im Curry gelandet.
Leute, die sich freiwillig in die Finger schneiden, findet man dagegen in der Biohacker-Community. Dahinter steht der Cyborg-Gedanke: Wie wäre es, wenn man den menschlichen Körper und damit die Sinne und Fähigkeiten durch technische Bauteile erweitern könnte?
Auch in der Medizin wird das schon gemacht, beispielsweise durch Cochlea-Implantate, die ein defektes Gehör gewissermaßen ersetzen können – durch etwas, das sich vom ursprünglichen Hörempfinden aber deutlich unterscheidet (Youtube-Simulation).
Experimentierfreudige fingen irgendwann an, Implantate zu nicht-medizinischen Zwecken zu testen. Der erste weit verbreitete Anwendungsfall war die Wahrnehmung von Magnetfeldern mit Hilfe eines (meist in einer Küchentisch-OP) in eine Fingerkuppe implantierten Magneten. Schon 1998 testete Kevin Warwick, Vorreiter auf dem Gebiet der Kybernetik und im Moment Professor an der University of Reading, einen subkutan implantierten RFID-Chip (einen Datenträger, der kontaktlos per Funk ausgelesen werden kann), der es ihm erlaubte, in seinem Institutsgebäude Lichtschalter und Türöffner berührungslos zu kontrollieren. (Sein Mitarbeiter, Mark Gasson, ebenfalls Chip-Träger, gab Jahre später zu Protokoll, er sei der erste von einem Computer-Virus infizierte Mensch – aber das ist eine Geschichte für einen späteren Blogpost.)
Mittlerweile haben subkutane RFID-Implantate immer mehr Anhänger gefunden.
So ganz sicher scheinen die Implantat-Enthusiasten sich noch nicht zu sein, was man mit der neuen Technik anfangen kann – auf Platz 1 der Liste der Ziele des NFCImplantProject der schwedischen Biohacker-Gruppe Nyfiken steht: „Relevante Anwendungsfälle für NFC-Implantate entdecken und entwickeln“. Aber auch die Elektrizität hat ihre Karriere ja als Partytrick begonnen. (NFC ist übrigens eine spezielle Art von RFID, das auf einem bestimmten Frequenzbereich und aus Sicherheitsgründen nur in einem Abstand von höchstens 10 cm funktioniert; näher erklärt hier.)
Wegen der steigenden Nachfrage wird auch die Ausstattung der Biohacker professioneller: die Firma Dangerous Things („Custom Gadgetry for the Discerning Hacker“) verkauft nicht nur RFID-Chips, sondern auch sterile Skalpelle und Lokalanästhetika – empfiehlt aber, sich letztere doch besser von einem Arzt injizieren zu lassen (beziehungsweise dem Äquivalent eines „trained professional who is qualified and legally permitted to administer Lidocaine“).
Ob im Jahre 2024, wie diese Dame denkt, 20% der menschlichen Bevölkerung (Haustiere werden ja schon seit langem gechippt) subkutane RFID-Chips tragen werden? Die Befürworter der Technik führen ins Feld, dass es bequem ist, nicht immer irgendein technisches Gerät oder eine Chipkarte bei sich tragen zu müssen, um eine Tür zu öffnen oder mit der U-Bahn zu fahren. Nur – wieso den Chip unter die Haut setzen, wenn man ihn stattdessen an oder auf der Haut tragen kann, zum Beispiel in der Kleidung oder als Ring (gut, am Design lässt sich ja noch arbeiten)? Da aber heute schon genug Menschen davon ausgehen, dass solch ein Implantat irgendwann ihren Alltag einfacher machen könnte, pendelt die Verwendung von implantierten Chips sich wahrscheinlich irgendwann auf einem niedrigen Niveau ein – vielleicht vergleichbar mit hormonellen Implantaten, die für viele Frauen die lästige Empfängnisverhütung einfacher machen.
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