In der vergangenen Woche war ich zu Gast bei Cyberdyne Care Robotics (CCR) in Bochum, um zwei HALs zu treffen:
Den in den Medien mittlerweile wohlbekannten HAL, der schon zahlreichen Patienten mit Rückenmarksverletzung aus dem Bochumer Bergmannsheil wieder auf die Beine geholfen hat.
Und seinen noch nicht ganz so bekannten Cousin, den HAL for Labor Support, der noch ganz am Anfang seiner Karriere steht.
Aber eins nach dem anderen. Die Idee, dass man Personen bei körperlicher Arbeit mit einem beweglichen Gerüst von außen – einem Exoskelett – stützen könnte, kam bereits in den 1960er Jahren auf. General Electric baute schon 1965 den Prototypen Hardiman, mit dessen Hilfe Arbeiter bis zu 680 kg heben können sollten. In der Theorie eine gute Idee, in der Praxis leider völlig unbrauchbar, so dass das Projekt bald wieder eingestampft wurde.
Über 50 Jahre – und mehrere Iron-Man-Filme später – ist das Problem eines so fein steuerbaren Exoskeletts, dass es dem Träger bei der Arbeit hilft, statt ihn zu behindern, immer noch nicht ganz gelöst. Aber aktuelle Modelle kommen dem Ziel schon näher.
An dieser Stelle: Auftritt des HAL for Labor Support.
Es handelt sich dabei keineswegs um ein Ganzkörper-Exoskelett, wie es frühe (und fiktionale) Designs vorsahen. Das Exoskelett hat vielmehr nur einen Job: Lendenwirbelsäule und Rückenstrecker der Trägerin oder des Trägers zu entlasten. Dazu wird ein starres Gerüst um den Lendenbereich fixiert und zwei Schienen an den Oberschenkeln angebracht, wie man auf den Fotos sieht. Elektroden werden auf die Haut über den langen Rückenmuskeln aufgeklebt. Die so abgeleitete elektrische Muskelaktivität wird verwendet, um dem Motor mitzuteilen, wie viel Kraft er zur Unterstützung der Muskulatur aufbringen soll.
Seinen Job tut HAL, wie die Autorin dieses Beitrags selbst mit einer Kiste Sprudel testen durfte, mit großem Nachdruck: Je nach eingestelltem Kraftgrad macht ein angelegter HAL for Labor Support die Beugung in der Lendenwirbelsäule fast unmöglich – und bringt den Träger damit dazu, beim Heben von Lasten vermehrt in die Knie zu gehen. Bei etwas geringerem Kraftgrad unterstützt der Motor immer noch merklich dabei, sich aus der Beugung der Lendenwirbelsäule wieder in eine aufrechte Haltung zu begeben.
Nach Angaben des Herstellers verzehnfacht HAL for Labor Support die menschliche Muskelkraft im unteren Rückenbereich. Dies solle aber nicht so interpretiert werden, dass der Träger das zehnfache Gewicht heben oder zehnmal häufiger das gleiche Gewicht heben könne. Vielmehr soll durch HAL dem Verschleiß der Lendenwirbelsäule vorbeugen – und dem damit einhergehenden Rückenschmerz und, ja, auch den Arbeitsausfällen zulasten von Arbeitgebern und Krankenkassen. (Rückenschmerzen sind in Deutschland für immerhin 17% aller Krankheitstage verantwortlich, und unter köperlich Arbeitenden wie Krankenschwestern und -pflegern dürfte die Zahl noch höher sein.)
An verschiedenen Enden ist HAL noch verbesserungsbedürftig: So fühlt der dicke Rahmen in Rückenhöhe sich unbequem an und ist auch nicht für jede Körpergröße und jeden Körperumfang passend. Wie gut die Elektroden auf der Haut haften, wenn diese anfängt zu schwitzen (oder sehr behaart ist), ist fraglich. Und schließlich arbeitet der Motor stellenweise ruckhaft – was einen etwas aus dem Konzept bringt, wenn man gerade versucht, sich mit einer schweren Sprudelkiste in den Händen aufzurichten.
Aber im Großen und Ganzen scheint HAL gar nicht so weit vom Alltagseinsatz entfernt zu sein – was man von seinen autonomen Verwandten, den Pflegerobotern, nicht behaupten kann. Diese scheitern immer noch an den einfachsten Herausforderungen, die Menschen mit Leichtigkeit bewältigen können, wie beispielsweise dem Fassen einer Bettdecke. Ist es möglicherweise erfolgversprechender, wenn die Pflegemaschinen der Zukunft direkt auf den Menschen montiert werden und mit seiner Hilfe durch die Umwelt navigieren? HAL liegt jedenfalls gut im Rennen.
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