Ein Gastbeitrag von Lars Fichtel im Rahmen unseres Kooperationsprojekts mit der FHWS.
Eine Diagnose, ohne vorher einen Arzt gesehen zu haben? Das wird in Zukunft dank Künstlicher Intelligenz möglich sein. Ist dies jedoch auch ethisch vertretbar?
Um diese Frage zu beantworten, zuerst ein Blick auf den Begriff Künstliche Intelligenz: Im Allgemeinen lässt sich „Künstliche Intelligenz“ (KI) als den Versuch bezeichnen, eine menschenähnliche Intelligenz mit den Ressourcen und den Möglichkeiten der Computertechnologie nachzubilden.
In der Medizin findet Künstliche Intelligenz seit Jahren immer mehr Anwendungsfälle. Als unterstützende Instanz für den Arzt kann KI z. B. medizinische Daten und Dokumente analysieren. Softwarelösungen wie ScaleText ermöglichen es, große Mengen an Dokumenten zu durchsuchen. Hierdurch können ähnliche Symptome auch in Akten anderer Patienten identifiziert werden und somit gegebenenfalls seltene oder spezielle Krankheiten erkannt werden.
KI ersetzt den Arzt – aber nicht im sozialen Kontext
Jedoch kann Künstliche Intelligenz in Teilgebieten auch den Arzt oder die Ärztin komplett ersetzen. Bei der Erkennung von Tumoren im Brustbereich anhand von radiologischen Bildern haben Experten der KAIST Universität in Südkorea mit ihrem Algorithmus INSIGHT eine Erkennungsrate von 97% für Lungen- und Brustkrebs erreicht. Hiermit hat der Algorithmus besser abgeschnitten als menschliche Experten.
Ein anderes Thema ist die Ärztin, der Arzt am Krankenbett: Neben der Diagnose hat der Arzt auch immer noch die Aufgabe, den Patienten die Diagnose mitzuteilen. Eine kluge Wortwahl und die physische Anwesenheit können den Betroffenen helfen, mit der schweren Situation umzugehen. Würden Sie lieber eine Diagnose von einem Arzt oder einer Künstlichen Intelligenz bekommen? Hier ist der Einsatz von KI sicher noch in weiter Ferne, wenn er überhaupt kommt.
KI zur Therapieplanung – Manipulation möglich?
Wenn die Diagnose erstellt ist, geht es an die Behandlung der Krankheit. Mit KI kann diese für den zu behandelten Patienten personalisiert werden. Mit Hilfe der bisher gesammelten Daten des Patienten können die Wahl des Medikaments und die Dosierung individualisiert werden – beispielsweise kann es sein, dass ein Medikament nur in Patienten mit bestimmten DNA-Sequenzen wirkt.
KI arbeitet auf der Grundlage der Daten, die während des Trainingsprozesses verwendet werden. Somit sind spätere Entscheidungen abhängig von den für das Training verwendeten Daten. Die Qualität der späteren Entscheidungen ist also wesentlich von der Qualität der Input-Daten abhängig, und davon, dass diese nicht manipuliert werden können.
KI als Assistenz – Datenschutz sollte in der Hand der Patienten liegen
Auch außerhalb eines akuten Krankheitsfalls gibt es Anwendungsfälle für KI im Gesundheitswesen – etwa bei der häuslichen Betreuung. Beispielsweise hat das Kinderkrankenhaus in Bosten eine Anwendung, bei Amazon auch Skill genannt, für Amazons Echo / Alexaentwickelt, die grundlegende Gesundheitsinformationen und Ratschläge für Eltern kranker Kinder bietet. Die App beantwortet zusätzlich Fragen zu Medikamenten und ob die Symptome einen Arztbesuch erfordern.
Doch wie verhält es sich mit dem Datenschutz? Nach Angaben von Amazon sind alle Web Services DSGVO-konform. Aber auch dies bietet keine absolute Sicherheit, wie ein Fall zeigt, in dem Amazon intime Sprachdateien an eine fremde Person geschickt hat. Inwiefern jemand seine persönlichen Daten an Dritte weitergeben möchte, im Besonderen gesundheitsrelevante Daten, sollte daher stets in der Hand des Patienten selbst liegen.
Fazit
Natürlich sind die einzelnen ethischen Aspekte der Anwendungsfälle auch auf andere Einsatzmöglichkeiten übertragbar. Zusätzlich ist anzumerken, dass viele Algorithmen der Künstlichen Intelligenz – etwa die zur Zeit häufig eingesetzten neuralen Netzwerke – eine schwer überschaubare Komplexität haben. Es bleibt für den Benutzer unklar, was innerhalb dieser „Black Boxes“ passiert.
Siehe hierzu auch den Artikel zu Explainable Artificial Intelligence hier im Blog.
Künstliche Intelligenz bringt die Medizin und das Gesundheitswesen weiter. Es gibt jedoch noch zahlreiche Graubereiche, in denen fraglich ist, welcher KI-Einsatz ethisch vertretbar ist und wo die Grenze gezogen wird. Hier sind sowohl eine gesellschaftliche Diskussion als auch gesetzliche Vorgaben notwendig.
Über den Autor: Lars Fichtel ist Masterstudent im Studiengang Informationssysteme der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt.