Seit April 2017 gibt es sie, zumindest auf dem Papier: Die GKV-bezahlte Videosprechstunde. Mit diesem Termin wurden zwei neue EBM-Ziffern eingeführt, eine für die Videosprechstunde selbst und einen als sogenannten Technikzuschlag.
Trotzdem verlief die Einführung der Videosprechstunde in die niedergelassene Versorgung bisher mehr als schleppend – warum?
- Die organisatorischen Voraussetzungen waren bisher sehr streng geregelt – so musste die Patientin vor der ersten Videosprechstunde persönlich (nicht elektronisch) eine entsprechende Einverständniserklärung unterschreiben.
- Die Abrechenbarkeit ist auf die folgenden Fachgruppen beschränkt:
- Hausärzte und Internisten
- Kinderärzte
- Anästhesisten
- Augenärzte
- Chirurgen
- HNO-Ärzte
- MKG-Chirurgen
- Neurologen, Nervenärzte, Neurochirurgen und Psychiater
- Orthopäden
- Gynäkologen
- Dermatologen
- Urologen
- Phoniater und Pädaudiologen
- Fachärzte für physikalische und rehabilitative Medizin
- Und nur bei sechs Indikationen durfte bisher eine Videosprechstunde abgerechnet werden:
- Visuelle postoperative Verlaufskontrolle einer Operationswunde
- Visuelle Verlaufskontrolle von akuten, chronischen und/oder offenen Wunden
- Visuelle Verlaufskontrolle von Dermatosen
- Visuelle Beurteilung von Bewegungseinschränkungen oder Bewegungsstörungen des Stütz- und Bewegungsapparates, auch nervaler Genese, als Verlaufskontrolle
- Beurteilung der Stimme und/oder des Sprechens und/oder der Sprache als Verlaufskontrolle
- Anästhesiologische postoperative Verlaufskontrolle
- Und, als vielleicht wichtigster Grund – die Bezahlung der Videosprechstunde seitens der Kassen war (und ist) sparsam:
- Die Ziffer für die Videosprechstunde wurde mit etwa 9 EUR honoriert, der Technikzuschlag betrug etwas über 4 EUR.
- Aber: Zur Abrechnung einer Videosprechstunde musste der Patient schon einmal in der Praxis gewesen sein (da sonst das Fernbehandlungsverbot galt), durfte aber nicht im gleichen Quartal schon einmal dagewesen sein (sonst wäre die Videosprechstunde mit der Grundpauschale abgegolten gewesen).
- Und: der Technikzuschlag durfte maximal 47-mal pro Arzt pro Quartal abgerechnet werden.
- Unter Berücksichtigung aller Beschränkungen konnte eine Arztpraxis nach Einführung der Videosprechstunde somit nicht mehr als 200 EUR pro Quartal einnehmen.
- Und davon gingen dann noch die Gebühren für die Videosprechstunden-Software ab.
Erst im August 2019 wurde dann nachgebessert, nachdem die Videosprechstunde sich innerhalb von über zwei Jahren nicht hatte nennenswert durchsetzen können:
KBV und GKV-Spitzenverband vereinbarten einen Zuschlag von 9,95 EUR pro Videosprechstunde als Anschubfinanzierung – das entspricht bis zu 500 EUR pro Praxis pro Quartal für bis zu 2 Jahre.
Eine weitere Neuerung wurde nun bekannt gegeben:
Die Videosprechstunde darf auch die erste Konsultation im Quartal sein, wird also mit einer sogenannten Grundpauschale bezahlt. Wenn die Patientin im gleichen Quartal aber nicht mehr persönlich in die Praxis kommt, wird die Grundpauschale (je nach Fachgebiet) um 20 bis 30 Prozent gekürzt.
Ob das genügt, damit die Videosprechstunde bald zu den Standardleistungen bei Haus- und Fachärzt*innen gehört?