New Work in der Gesundheitsbranche – Buzzword oder Wirklichkeit?

Ein Gastbeitrag von Heiko Tuscher im Rahmen unseres Kooperationsprojekts mit der FHWS.


New Work: Ein Trendthema und ein Begriff, der vielen Menschen beiläufig schon einmal begegnet ist. Was im Detail hinter diesem Begriff steht, bleibt aber häufig unklar. Eine Grafik des sozialen Netzwerkes XING zeigt die unübersichtliche Vielzahl der Konzepte, die mit New Work verknüpft sind.

Woher kommt New Work?

Begründer dieses Konzepts ist der Sozialphilosoph Prof. Dr. Frithjof Bergmann. Für ihn ist New Work, ganz einfach gesagt, die Arbeit, die ein Mensch wirklich verrichten will.

Auch der Think Tank Zukunftsinstitut in Frankfurt beschäftigt sich mit New Work als einem Megatrend und betont, dass New Work die Potenzialentfaltung eines jeden einzelnen Menschen in den Mittelpunkt stellt. Das heißt, dass der Sinn der Arbeit immer wichtiger wird. Dies geht auch aus Umfragen unter der Generation Y (Geburten von 1990 – 2000) hervor, die fordern, dass ihre Arbeit sinnvoll und abwechslungsreich sein soll. Kurz gesagt:

Die Generation Y will sich in der Arbeit verwirklichen können.

Zusammenfassend betont New Work einige zentrale Werte wie Freiheit und Selbstständigkeit und will den Arbeitenden diese mittels neuer Wege, Techniken und Methoden ermöglichen. Diese Werte müssen sowohl von Arbeitgebern als auch von Arbeitnehmern gelebt und angestrebt werden. Denn: Der Mensch braucht die Arbeit nicht nur als Mittel, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, sondern auch aus sozialen Gründen, um Anerkennung zu erfahren, Kontakte zu knüpfen und um seine persönliche Identität zu bilden [1].

New Work im Gesundheitswesen

Das ist auch in der Gesundheitsbranche so. Eine Umfrage der ZEIT ergab, dass unter den Top 8 der wichtigsten Aspekte im Arbeitsleben das Wohlfühlen, die Unterstützung von Vorgesetzen, die Anerkennung von Kollegen und Vorgesetzten sowie die persönliche Weiterbildung sind. Auch in der Gesundheitsbranche sind also die Selbstverwirklichung und der Spaß an der Arbeit entscheidend für die Arbeitnehmer.

So weit, so gut. New Work stellt also den Menschen in den Mittelpunkt, gibt ihm mehr Freiheit und lässt ihn selbst entscheiden.

Doch was können Unternehmen und speziell diejenigen aus der Gesundheitsbranche tun, um eben dies zu fördern?

Ein wichtiger Punkt sind flexible Arbeitszeiten und Work-Life-Blending (Integration von Privatleben und Arbeit). In der Gesundheitsbranche sind gerade die Arbeitszeiten oft ein Problem. Lange Schichten, unflexible Arbeitszeiten oder Nachtarbeit sind üblich, weil Patienten rund um die Uhr Betreuung brauchen. Auch die Ansätze für mobiles Arbeiten können in der Gesundheitsbranche nicht im selben Ausmaß wie etwa in IT-Berufen umgesetzt werden. Die Pflegekraft kann ihren Patienten kaum per Videochat aus einem Café heraus pflegen. (Doch auch hier gibt es neue Potenziale wie etwa durch Robotik in der Pflege.)

Um hier die Angestellten zu entlasten, müssen im Sinne von New Work Lösungen im Team besprochen und angestrebt werden, die zu den individuellen Lebenslagen passen. Dass dies kein Traum bleiben muss, beweisen die Beispiele von Krankenhäusern, die bereits erfolgreiche Modelle etabliert haben.

Aber auch im Bereich der Selbstbestimmung ist in der Gesundheitsbranche noch viel Luft nach oben. Damit Arbeitnehmer Entscheidungen treffen können, sind flache Hierarchien und agile Vorgehensweisen nötig, die lange Entscheidungswege verhindern. Und auch Digitalisierung hilft, Menschen zu entlasten und mehr Zeit für sinnbringende Aufgaben frei zu machen, wie etwa den persönlichen Austausch mit Patienten. Routineaufgaben wie Medikationsplanung und -sicherheit können durch Computersysteme bewältigt werden.

Eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey thematisiert die noch nicht ausgeschöpften Potenziale der Digitalisierung des Gesundheitswesens in Deutschland: Allein konsequent eingeführter papierloser Datenaustausch über die elektronische Gesundheitsakte und elektronische Überweisungen und Rezepte würde eine enorme Zeitersparnis schaffen. Ebenso sind Kollaboration und Austausch unter Kollegen und anderen Interessenten mit neuen Technologien wesentlich effizienter und mit geringeren Hürden behaftet.

New Work auch im Privaten

Neben der Digitalisierung können Kinderbetreuung und weitere Angebote wie Einkäufe, Bügelservice oder dergleichen helfen, das Arbeitsleben mit dem Privaten zu verschmelzen. Neue Bürokonzepte können das Arbeitsleben noch angenehmer machen: Ob mit Ruheräumen oder Co-Working-Spaces zum Austausch zwischen Kollegen.

Das Wichtigste an der neuen Arbeit ist aber die Einstellung der Einzelnen zu diesem Thema. Es bedarf einer neuen Denkweise der Angestellten und eines neuen Führungs- und Vorgesetztenverhaltens. Privates in der Arbeit darf kein Streitthema sein und die Führung muss kooperativ und anhand gemeinsamer Ziele der Mitarbeiter erfolgen, nicht autoritär. Allein das Einführen neuer Methoden oder digitaler Unterstützung führt nicht zwingend zur „neuen Arbeitswelt“. In der Praxis ist die Umsetzung mit Scheuklappen oft ein Reinfall und ohne Zustimmung der Mitarbeiter zum Scheitern verurteilt.

All die genannten Beispiele zeigen, dass auch in der Gesundheitsbranche das Thema New Work kein Buzzword bleiben muss, sondern tatsächlich gelebt werden kann. Ein Mehrwert wird jedoch nur dann erreicht, wenn alle von der Führung bis hin zum jüngsten Mitarbeiter mit an Bord sind.

Offline-Quellen:

[1] Schermuly, CC 2016, New Work – Gute Arbeit gestalten: Psychologisches Empowerment von Mitarbeitern, Haufe Lexware Verlag, München.


Über den Autor: Heiko Tuscher, 26 Jahre, ist Masterstudent im Studiengang Informationssysteme an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt.