Blockchain im Gesundheitswesen: Einwilligungserklärungen in den Griff kriegen

Im vergangenen Herbst schrieb das Bundesgesundheitsministerium den Ideenwettbewerb „Blockchain im Gesundheitswesen“ aus – vielleicht inspiriert von einem ähnlich lautenden Wettbewerb, den das Office of the National Coordinator for Health IT (ONC) in den USA schon 2016 durchgeführt hat. Während bei der US-Version vor allem der Einsatz von Blockchain-Lösungen in der Verwaltung von Patientendaten ein beliebtes Konzept war, war dieser Einsatzfall vom BMG ausdrücklich vom Wettbewerb ausgeschlossen. Nichtsdestotrotz verzeichnete das Forschungsreferat des Ministeriums mit 142 Projektskizzen deutlich mehr Einreichungen als erwartet.

Im Vorfeld des Wettbewerbs wurden 20 dieser 142 Projektskizzen anhand von Bewertungskriterien wie Relevanz für das Gesundheitswesen, Umsetzbarkeit und methodische Qualität zur Präsentation auf der Zukunftswerkstatt selektiert. Dort wiederum wählte eine fünfköpfige Jury (unter anderem die Autorin dieses Beitrags) die drei besten Vorschläge aus. Zur Bewertung haben wir in der Jury uns unter anderem gefragt, ob die Vortragenden den Einsatz der Blockchain-Technologie in ihrer Skizze stichhaltig begründen konnten, denn nicht jedes Digitalisierungsprojekt ist ein geeignetes Einsatzfeld für Blockchain.

Die Sieger: Erstplatzierte wurden Irina Hardt und Dr. Christian Sigler mit ihrem Projekt e-BtM, das die bisherigen unzuverlässigen Prozesse im Betäubungsmittelmanagement ersetzen soll. Mein kurzes Interview mit den ersten Siegern erscheint bald in der E-HEALTH-COM.

Auf den zweiten Platz gewählt wurde dPaCoS, ein dezentralisiertes System zum Management von Einverständniserklärungen (nicht nur) zur Verarbeitung von genetischen Daten, entwickelt von den Informatikern Tobias Fertig und Andreas Schütz, die mir ebenfalls ein Interview gegeben haben. Die beiden sind Doktoranden im Bereich IT-Sicherheit, bloggen zum Thema Ethereum und waren in der Vergangenheit schon einmal an einem Initial Coin Offering (ICO) beteiligt. Sie sind zudem Autoren des Buchs Blockchain für Entwickler, das im vergangenen Monat im Rheinwerk-Verlag erschienen ist.

Blockchain für Entwickler, Rheinwerk-Verlag

In ihrer Lösung dPaCos werden die Zustimmungen und Ablehnungen von diagnostischen und therapeutischen Eingriffen auf der Blockchain protokolliert, und zwar datenschutzfreundlich auf einer privaten Ethereum-Blockchain. Die dezentrale Natur der Blockchain verhindert dabei Manipulationen und erhöht die Datensicherheit, da Datenverlust in allen Knoten der Blockchain extrem unwahrscheinlich ist.

dPaCoS-Schema

Wie kam es zu der Projektidee?

TF: Wir kennen uns, seit wir zusammen den Bachelor in Informatik an der FH Würzburg gemacht haben. Andi hat sich schon seit 2011 mit der Blockchain beschäftigt und mich zu diesem Thema gebracht. Ich habe mich ursprünglich für verteilte Systeme interessiert.

AS: 2011 hat ein guter Freund von mir an der TU München eine Mining-Farm gegründet. [Mining bezeichnet das „Schürfen“ von neuen Bitcoins oder anderen Kryptowährungen.] Seit 2015, als Ethereum aufkam, habe ich meine Beschäftigung mit dem Thema weiter vertieft und beispielsweise ein Ethereum-Bootcamp hier an der Hochschule organisiert.

Und wie haben Sie vom Wettbewerb erfahren?

TF: Ein Bekannter hat uns auf den Wettbewerb aufmerksam gemacht, da ich Medizintechnik als Nebenfach hatte. Daraufhin haben wir recherchiert: Was macht die Uni Erlangen in der Forschung im Medizin-Bereich, was machen andere Unis? Dabei sind wir auf Genomdatenbanken gestoßen und das Problem der Einwilligungserklärung zur Verarbeitung genetischer Daten.

Blockchain-Wettbewerb BMG Preisverleihung

dPaCoS will aber nicht nur das Problem der Einwilligungserklärungen für genetische Datenverarbeitung lösen?

AS: Nein. Wir haben daraufhin auch mit vielen Bekannten gesprochen, die im Gesundheitswesen tätig sind – mit Ärztinnen und Ärzten, Schwestern und Pflegern. Wir wollten wissen, was die Probleme im Krankenhausalltag sind, und wir wurden dabei immer und immer wieder auf die  Defizite in der Digitalisierung hingewiesen.

dPaCoS - Blockchain für Einverständniserklärungen

TF: Zum Beispiel dieses Horrorszenario: Ein Patient ist schon in Narkose, dann stellt sich heraus – die Einwilligungserklärung fehlt! Der Patient muss also wieder aufgeweckt und später erneut operiert werden. Das kommt in der Realität erschreckend häufig vor, daher wollten wir unser Konzept über die Genomdaten hinaus verallgemeinern, für den klinischen Alltag in anderen Disziplinen.

Wie geht es nun weiter mit dPaCoS?

AS: Wir werden noch einmal nach Berlin eingeladen, um unser Konzept erneut durchzusprechen. Es sind ziemlich viele Akteure notwendig, um es umzusetzen – beispielsweise brauchen wir Entwicklungspartner für die HL7-Schnittstellen und andere Bereiche. Die Entwicklung in Ethereum können wir selbst leisten. Und natürlich brauchen wir Kontakte zu den Stakeholdern, die später mit dem System arbeiten.

Und wie wird es wohl weitergehen mit Blockchain in Deutschland?

AS: Wir fanden den Ideenwettbewerb eine Superidee, auch als Mittel der Bürgerbeteiligung, da auch Privatpersonen mit sehr geringer Einstiegshürde teilnehmen konnten. Aber es scheint, dass sich darüber hinaus nichts in Deutschland tut! Wir sind aus dem Bereich IT-Sicherheit, da könnten wir uns auch gut einen ähnlichen Blockchain-Wettbewerb vorstellen, oder auch im Rechtswesen, zur Anwendung und rechtlichen Stellung von Smart Contracts.


Wir berichten weiter darüber, wie es mit interessanten Projekten des Wettbewerbs weitergeht. Mehr zu Blockchain im Gesundheitswesen lesen Sie hier im Blog!