Achtung, „Hackerangriff“!

Hilfe, ich wurde gehackt!

Seit mindestens 1996, wahrscheinlich aber wesentlich länger,  scheinen Hacker_innen auf verlorenem Posten zu stehen: Sie beharren darauf, dass das Wort „Hacker“ jemanden bezeichnet, der sich in technischen Systemen von seiner Experimentierfreude leiten lässt und originelle und funktionierende Lösungen findet. Große Teile der Öffentlichkeit beharren dagegen darauf, dass ein Hacker wahlweise Kreditkartendaten zum persönlichen Gebrauch oder Zugangsdaten von Atomkraftwerken für die russische Mafia stehlen will – und dass jede Erwähnung des Wortes „Hacker“ von annäherungsweise der folgenden Illustration begleitet werden muss:

Cyber

(Quelle: Webseite des FBI; siehe auch hier im Blog)

Dies war so, schon bevor Richard Stallman 1996 seinen offenen Brief an Zeitungs- und Zeitschriftenredakteure veröffentlichte, und hat sich – zumindest im deutschen Sprachgebrauch – nicht wesentlich verändert. Er schrieb [meine Übersetzung]:

Ich bin ein Hacker. Das heißt, ich spiele gern mit Computern – ich arbeite mit ihnen, lerne Neues über sie und schreibe schlaue Computerprogramme. Ich bin kein Cracker; ich pflege nicht in gesicherte Systeme einzubrechen.

Ich muss mich dafür nicht schämen. Aber wenn ich Leuten erzähle, dass ich ein Hacker bin, denken sie, dass ich damit etwas Anrüchiges eingestehe – denn Zeitungen wie die Ihre missbrauchen das Wort „Hacker“ und vermitteln den Eindruck, dass es gleichbedeutend mit „Einbrecher“ ist. Sie bringen Hacker in Verruf. […]

Natürlich haben Sie einen Grund dafür. Sie sagen, dass Leser mittlerweile so an die beleidigende Bedeutung des Wortes „Hacker“ gewöhnt sind, dass Sie kein anderes Wort mehr dafür einsetzen können. Tja, Sie können zwar die Fehler von gestern nicht rückgängig machen – aber das ist keine Entschuldigung dafür, sie auch heute und morgen zu machen.

Haben die Medien sich diesen über 20 Jahre alten Aufruf zu Herzen genommen? Als Antwort ein Screenshot aus Google News von heute:

"Hacker" auf Google News

Zum Vergleich eine Suche nach dem Begriff, den Stallman als Alternative für Einbrecher in Computersysteme vorgeschlagen hat: „Cracker“

Cracker auf Google News

Obwohl es in letzter Zeit mehr als genug Zwischenfälle zu berichten gäbe, stößt man bei der Suche nach dem Stichwort „Cracker“ nur auf salzige Snacks und eine obskure 90er-Jahre-Rockband.

Warum hat sich das Wort „Cracker“ nicht durchgesetzt? Ist es tatsächlich die Assoziation zu etwas Essbarem, die dazwischengefunkt hat? Kaum vorstellbar – von der Computermaus über den Cookie, Bug oder Kabelsalat haben viele Begriffe aus der digitalen Welt eine farbige Erst- oder Zweitbedeutung.

Oder ist das Problem vielmehr, dass fast jeder Computerexperte bereit wäre, sich als Hacker zu bezeichnen – auch wenn er im Auftrag des organisierten Verbrechens oder eines Geheimdienstes oder auch nur für den persönlichen Profit in Systeme eindringt – aber kaum jemand sich „Cracker“ nennen würde? Und die Öffentlichkeit somit einfach nur diese Selbstbezeichnungen übernimmt?

Hacker haben sich teilweise mit diesem Dilemma abgefunden und sprechen nun von White Hat (guten) und Black Hat (bösen) Hackern, in Anlehnung an die Guten und Bösen in alten Westernfilmen. Dies hat den unübersehbaren Vorteil, dass man auch die Existenz von Grey Hats abbilden kann: Leuten, die sich nicht vollständig auf der „dunklen Seite der Macht“ aufhalten, sondern nur gelegentlich mal ein Gesetz übertreten wie andere Menschen eine Geschwindigkeitsbegrenzung.

Also: Was sollte man tun, wenn man über Angriffe auf IT-Systeme schreibt? Schreibt man, dass ein System „gehackt“ wurde, versteht das jeder Leser – es kränkt aber Tausende von Menschen in Deutschland, die sich selbst als Hacker verstehen. Wenn man von einem „Einbruch“ spricht, ist das zweideutig: In ein Computersystem oder ein Gebäude? „Geknackt“ – eine umgangssprachliche deutsche Alternative für „cracked“ – klingt ungewohnt und bezieht sich auch eher auf die Sicherheitsmechanismen des Systems als auf das System selbst. „Kompromittiert“ ist ebenfalls nicht ganz eindeutig, und wird sicher nicht von jedem Leser verstanden.

Welche Alternativen bevorzugen Sie?