Automagische Betrübssysteme

Die mit Abstand wichtigste Sprache in der IT ist Englisch. Wie das Jargon File sagt:

Hackers in Western Europe and (especially) Scandinavia report that they often use a mixture of English and their native languages for technical conversation.

Das gilt auch für Wortspiele – nur ein geringer Teil davon sind aus dem Englischen ins Deutsche übersetzbar.

Wie übersetzt man überhaupt ein Wortspiel?

Am besten gar nicht, würden Puristen sagen, und zahlreiche Synchronisationssünden in Serien als Beleg anführen. Manchmal behelfen sich die Übersetzer auch mit im Deutschen ähnlich klingenden Wörtern, die dann leider aber doch eine etwas andere Bedeutung haben, so dass der Witz hinterher schief hängt – wie im folgenden Clip:

(Im Original: „drugs“, zu Deutsch: „Medikamente“, nicht „Drogen“.)

Ein anderer, im deutschsprachigen Raum häufig gewählter Weg: Das – sehr – freie Nachdichten, in den 1960ern und 70ern bei uns bis auf die Spitze getrieben in Bud-Spencer-Filmen und der Serie „Die Zwei“ (im Original „The Persuaders“):

Zurück in die IT: Eines der wenigen Wortspiele aus dem englischen Hacker-Jargon, das sich unfallfrei ins Deutsche übersetzen lässt, ist „automagically“, eine Kombination aus „automatically“ und „magic“. Auch in deutschen Diskussionsforen funktionieren Dinge „automagisch“ (und bewirken so, dass selbst die Eltern des Diskutanten hier „es ohne Fragen geschafft [haben], Threema zu benutzen“)…

Andere Redewendungen ließen sich durchaus ins Deutsche übersetzen – es macht nur keiner. Oder ist wütender Obstsalat nur gemeinsam mit Geocities, Lauftext-Bannern und dem HTML-Tag <blink> ausgestorben?

Die Praxis des Baggy Pantsing dagegen dürfte im einen oder anderen Uni-Institut oder Hackerspace überlebt haben.

Ganz selten hat ein Begriff den umgekehrten Weg genommen: Vom Deutschen ins Englische. Ein Beispiel hierfür ist die teergrube aus dem Jargon File. Ob diese Spam-Falle tatsächlich von deutschen Hackern erfunden wurde, lässt sich aus dem Eintrag nicht mehr nachvollziehen. Und natürlich die berühmten blinkenlights oder blinkenlichten, die genau genommen aber gar nicht aus dem Deutschen stammen, sondern aus einer Parodie des Deutschen, einem Warnschild bei IBM um 1955. Um noch einmal den Kurator des Jargon File zu zitieren:

Germans, then as now, had a reputation for being both good with precision machinery and prone to officious notices.

Leider wird das Jargon File seit 2003 nicht mehr aktuell gehalten. Es existiert eine – viel weniger umfangreiche – deutsche Variante, die vom Erfa Dresden des Chaos Computer Club, dem c3d2, gepflegt wird. Oder wurde, denn auch dieses Dokument ist schon deutlich angestaubt, wie die vielen Referenzen aufs Usenet zeigen: Hier wird noch geplenkt, geplonkt und die Ingrid gemacht.

Zwei längst obsolete Wörterbücher, die im Netz vor sich hingammeln – wen kümmert’s? So könnte man denken. Tatsächlich wäre ein aktuelles Jargon File für die deutsche Sprache ein Hilfsmittel mehr, um die Kluft zwischen ITlern und Benutzern zu schließen. Denn das originale Jargon File ist nicht nur aufschlussreich, sondern auch eine überaus unterhaltsame Lektüre, und hat vielleicht den einen oder anderen Hacker zu dem gemacht, was er ist. Andererseits gibt es für junge (oder nicht mehr so junge) Menschen, die erstmals mit Computern und Digitalisierung in Kontakt kommen, wenig, was so einschüchternd ist wie ein Haufen Fachbegriffe und Insiderwitze, die sie nicht verstehen.

So wird das Betriebssystem wirklich zum Betrübssystem, und die Welt der IT zur Black Magic.