Jetzt wird’s ernst mit der Star-Trek-Technologie: Am 13.04. hat die XPRIZE Foundation das Gewinnerteam ihres Tricorder-Wettbewerbs bekanntgegeben. Die Foundation ist dafür bekannt, keine allzu kleinen Brötchen zu backen – vielmehr große bis übergroße. Sie ist eine gemeinnützige Organisation mit Sitz in den USA und einem Vorstand aus so illustren Namen wie Larry Page, Ray Kurzweil und Arianna Huffington.
Im Vergleich zu anderen selbsternannten Tricorder-Entwicklern verlangt die XPRIZE Foundation den Tricorder-Modellen ihrer Teilnehmer einiges mehr ab als bloß ein bisschen Temperatur- und Blutdruckmessung: Ziel des mit 10 Millionen Dollar dotierten Wettbewerbs war die Entwicklung eines tragbaren Geräts, das maximal 2,3 kg wiegt und immerhin 12 Krankheiten diagnostizieren kann – plus die Abwesenheit dieser Krankheiten (könnte man auch als Gesundheit bezeichnen, wenn das nicht so eine grobe und unzulässige Verallgemeinerung wäre). Und zwar als verpflichtendes Programm folgende Krankheiten:
- Anämie (Blutarmut)
- Vorhofflimmern
- COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung)
- Diabetes mellitus
- Leukozytose (erhöhte Anzahl an weißen Blutkörperchen, beispielsweise bei Infektionen oder Leukämie)
- Lungenentzündung
- Mittelohrentzündung
- Schlafapnoe (pathologisches Schnarchen mit Atemaussetzern)
- Harnwegsinfektion
Und zusätzlich drei aus der folgenden Liste:
- Erhöhtes Cholesterin
- Lebensmittelvergiftung
- HIV-Infektion
- Bluthochdruck
- Schilddrüsenüber- oder -unterfunktion
- Melanom
- Pfeiffersches Drüsenfieber (eine Viruserkrankung)
- Keuchhusten
- Windpocken
- Streptokokkeninfektionen des Rachens (schwerste Form: Scharlach)
Stolze Ambitionen – zudem der Tricorder dann auch noch zuverlässig die Vitalfunktionen des Menschen messen können soll, als da wären: Blutdruck, Herzfrequenz, Sauerstoffsättigung des Blutes, Atemfrequenz, Temperatur. Diese Vitalfunktionen sind allerdings einfacher zu bestimmen als das Vorliegen einer Krankheit – der Wettbewerbsteilnehmer Scanadu beispielsweise ist mit diesen Fähigkeiten schon in eine klinische Studie gestartet.
Im Finale standen zwei Teilnehmer des Wettbewerbs: Final Frontier Medical Devices, die Firma eines US-amerikanischen Notarztes und seines Ingenieur-Bruders, sowie die taiwanesische Firma Dynamical Biomarkers Group unter der Leitung von Prof. Chung-Kang Peng von der Harvard Medical School und unterstützt von HTC. Das Gerät von Final Frontier Medical Devices heißt DxtER (gesprochen „Dexter“, ein Wortspiel aus „Dx“ für „Diagnosis“ und „ER“) – das von der Dynamical Biomarkers Group heißt DeepQ. (Ob das was mit dem allmächtigen Q zu tun hat?)
Was können die Tricorder nun? Beiden gemeinsam ist: Anders als bei Star Trek müssen die Geräte erst mit menschlicher Intelligenz gefüttert werden. Sprich: Es wird ein Fragenkatalog abgearbeitet, anhand dessen Antworten eine AI die Liste der in Frage kommenden Krankheiten schon deutlich einschränkt. Erst dann kommen elektronische Geräte zum Einsatz. Darunter ist beispielsweise auch ein Pulsoximeter (das ich an anderer Stelle schon beschrieben habe), eine Kamera und ein Thermometer. Zudem können Blut- und Urinproben ausgewertet werden.
Aus der oben genannten Liste der nicht-obligatorischen Krankheiten, die diagnostiziert werden sollen, haben Final Frontier Medical Devices sich für folgende entschieden:
- Bluthochdruck
- Pfeiffersches Drüsenfieber
- Keuchhusten
Dynamical Biomarkers Tricorder kann dagegen folgende Erkrankungen erkennen:
- Bluthochdruck
- Melanom
- Windpocken
Die Arbeit an beiden Tricorder-Modellen der Finalisten wird weitergehen – auch eine Kooperation miteinander wurde schon in Betracht gezogen. Der Zweitplatzierte überlegt zudem bereits, eine weiterentwickelte Version seines Tricorders in abgelegenen Dörfern in China zum Einsatz zu bringen.
Neben dem Tricorder-Contest laufen in der XPRIZE Foundation übrigens noch zahlreiche andere Wettbewerbe: Alle mit dem Ziel, neue Technologien in Bereichen zu entwickeln, die 1.) einen deutlichen Einfluss auf unser Leben haben und 2.) durch die Mechanismen eines freien Marktes bisher nicht ausreichend bedient werden – etwa, weil das vorhandene Geld nicht in effektive Projekte gesteckt wird oder die Mehrheit der Branchenexperten eine Lösung für unmöglich halten. Alle Wettbewerbe sollen so gestaltet sein, dass sie auch von kleinen Teams gewonnen werden können – sogar, so heißt es auf der Webseite, von „well-funded high school students who don’t know what they can’t do“. (Um so eine „well-funded“ Schulklasse zu finden, muss man in Deutschland wohl lange suchen.)
Be the first to comment