Tele-Medizintourismus in Russland

Billiger, als in den Flieger zu steigen

Viele Russen vertrauen dem Gesundheitssystem ihres Landes nicht: Schon seit Jahren exportieren sich russische Patienten selbst ins Ausland, um sich dort – auf Privatrechnung – von deutschen, israelischen oder schweizerischen Ärzten diagnostizieren und behandeln zu lassen. Schon im Jahr 2013 waren dies um die 300.000 Patienten, und die Zahlen steigen weiter.

Das ist natürlich eine Zwei-Klassen-Medizin, denn Behandlung und Unterkunft für sich selbst und die Angehörigen müssen solche Patienten aus eigener Tasche zahlen. Hinzu kommt noch die Gebühr der Medizintourismus-Agentur, die sich um die Organisation des Aufenthalts kümmert. All das zusammen kostet normalerweise mehrere zehntausend Euro.

Ein russisches Startup hat hier seine Marktlücke gefunden: medviser.ru bietet Medizintourismus vom heimischen Sofa aus an. Mittels einer Videosprechstunde werden russische Patienten mit russischsprachigen Ärzten aus Israel, Deutschland und Spanien zusammengebracht. Gründer Leo Orlovsky ist der Sohn einer russischsprachigen israelischen Ärztin, die zahlreiche Patienten aus Russland und anderen ehemaligen Staaten der Sowjetunion behandelt und dabei eklatante Fehldiagnosen festgestellt hat. Wenn Patienten eine solche Zweitmeinung statt persönlich vor Ort im Ausland per Telemedizin von zu Hause aus einholen können, können sie viele tausend Euro einsparen – die telemedizinische Version des Medizintourismus kostet um die 600 USD pro Konsultation – und den Stress der Reise.

Dieses Konzept fand auch der russische Investor Roman Abramovich überzeugend und stellte Orlovsky und seinen beiden Mitgründern im Jahr 2015 die Summe von 500.000 USD zur Verfügung, um weiter zu expandieren. Laut Orlovsky sind die USA führend auf dem Gebiet der Videosprechstunde (Deutschland ist es jedenfalls nicht, wie Ihr in meinem Beitrag von letzter Woche nachlesen könnt), die US-amerikanischen Firmen richten sich aber vor allem an den heimischen Markt. Orlovsky will diese Lücke schließen – nicht nur in Russland. Nach dem russischsprachigen Markt will er mit seiner Firma in weitere Märkte expandieren. Genauer gesagt: In jeden Markt außer dem US-amerikanischen.

medviser.ru als Konkurrenz zu DrEd – und beide als Konkurrenz für den deutschen Hausarzt? Es bleibt spannend.

Mehr zu Telemedizin und E-Health in Russland lest Ihr auch in unserem neuen E-Book: „A Quick Guide to E-Health in Russia“ für Kindle (eine deutschsprachige sowie eine Print-Ausgabe sind in Vorbereitung).

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