Das Lunar Immigration Office: Ingo Nöhr zum 1. April

Schlag auf Schlag: Zum 1. April gibt es schon wieder eine neue Kolumne von Medizintechniker Ingo Nöhr, der für uns die Grenzen von Fakt und Fiktion auslotet.

Oder sie etwa ignoriert?


Ingo Nöhr und Jupp finden mittlerweile stündlich bei den Inhalten der Nachrichten aufregende Steigerungen. Das britische Parlament kämpft immer noch mit einer Brexit-Entscheidung, indem es vorsorglich alle möglichen Lösungen ablehnt. Das EU-Parlament hat mit der Urheberrecht-Richtlinie angeblich das Ende des kostenlosen Internets beschlossen und nebenbei dem Springer-Konzern 64% der voraussichtlichen Tantiemen beschert, während die Kleinverlage im Promillebereich der Ausschüttungen angesiedelt sind. Ein Viertel aller KI-Startups nutzt überhaupt keine künstliche Intelligenz. Auf dem Mount Everest schmilzt der Schnee und Boeing erwartet milliardenschwere Regressforderungen. Aber die Sensation ist doch (wieder mal) eine Twitternachricht vom GröPaZ Donald Trump. Aufgeregt treffen sich die beiden am 1. April wieder in ihrer beliebten Eckkneipe zu einem Stammtischgespräch.

  • Hast du das gelesen, Ingo? Donald Trump will spätestens bis 2024 zum Mond fliegen. Der hat es aber eilig. Er macht jetzt einen auf John F. Kennedy, nachdem ihm die Marsreise noch zu lange dauert.

Jupp, böse Gerüchte behaupten, dass er selbst den Kommandanten spielen wird, damit diese Mission unbedingt ein Erfolg wird. Endlich soll wieder ein Amerikaner als der erste Mensch im 21. Jahrhundert auf dem Mond herumspazieren, und er wäre natürlich am besten dafür geeignet.

  • Ja, der Zeitdruck ist besonders hoch, denn er muss den Chinesen zuvorkommen. Ich glaube, Ingo, dass Trump befürchtet, dass die Chinesen bei einer vorherigen Landung die Lüge des Klimawandels auch auf den Mond beziehen könnten.

Richtig beobachtet, Jupp: die Chinesen ärgern ihn besonders. Deswegen will Trump von seinen Farmern eine besonders große Fuhre Mist mitnehmen und diese auf der Rückseite des Mondes an einer bestimmten Stelle ausleeren. Der CIA versucht gerade die genaue Position der gelandeten Mondsonde Chang’e 4 herauszubekommen.

  • Aber Ingo, da fährt doch noch ein chinesisches Auto auf dem Mond herum. Das muss dann aber schon eine gewaltige Fuhre Mist sein.

Du hast recht, Jupp. Sein Problem ist tatsächlich das mobile Roboterfahrzeug Yutu-2, weil sich dessen Koordinaten sich ständig ändern. Wenn es wenigstens von General Motors gebaut worden wäre. Aber warte ab, Trumps Freunde bei der National Rifle Association entwickeln für ihn ein speziell konstruiertes Hochleistungs-Maschinengewehr für die US-Raumfähre. Nach alter Wildwest-Tradition will Trump danach eine Menge US-Flaggen abwerfen, um sich schon mal vorab Grundstücke für seinen Immobilienkonzern zu sichern.

  • Ja, aber wer will denn auf dem Mond wohnen? Wäre es nicht sinnvoller, die Bodenschätze des Mondes zu verwerten?

Das hatte er ja vor, Jupp. Aber Wissenschaftler haben seinen Wunsch auf eine kommerzielle Exploration des Mondes mangels Erfolgsaussicht abschlägig beschieden. Seine Kumpel von der Fracking-Industrie forderten Probebohrungen auf dem Mond, um frühzeitig die Claims von Ölfeldern abzustecken.

  • Ich verstehe Ingo. Da gab es in den alten Zeiten wohl zuwenig Urwälder auf dem Mond. Also, dann reicht sein Mondtrip nur für eine gute Show, oder?

Na ja, es gibt schon Business-Effekte. Die Börse ist bereits ganz aufgeregt. Die Goldspekulanten wittern schon einen enormen Aufwind der Goldpreise. Nämlich in der Erwartung, dass für Trump alle sichtbaren Teile der Mondrakete und Landefähre vergoldet werden müssen. Und der American Way of Life darf ja auch nicht fehlen. Coca-Cola und McDonalds haben vor kurzem mehrere Startfenster für Raketen mit Transportcontainern reserviert, um rechtzeitig für ihn einen Cola-Automat und eine Burgerbraterei auf dem Landeplatz aufzubauen.

  • Wow, Ingo. Das erinnert mich an die Kriege in Vietnam und der Golfregion. Dort fehlten auch niemals die Cola-Automaten für die Soldaten, egal, ob im Dschungel oder in der Wüste.

Allerdings, Jupp: ein Showelement für den Ausstieg auf dem Mond fehlt leider noch. Das Weiße Haus sucht gegenwärtig händeringend nach einem US-Hersteller von roten Teppichen. Warum? Aus Versehen ist Donald Trump beim G20-Gipfel in Hamburg über genau denselben Teppich gelaufen, den schon vor ihm Barack Obama bei einem Besuch im Bundeskanzleramt im Mai 2017 betreten hatte. Da sich die Deutschen strikt geweigert hatten, diesen Teppich zu verbrennen, ist nun der bisherige Weltlieferant, die altehrwürdige Mechanische Kokosweberei August Schär KG in Eisenschmitt / Eifel, in Ungnade gefallen. Sie wird wohl demnächst mit einem weltweiten Embargo belegt werden.

Ingo Nöhr: Roter Teppich

  • Ingo, du redest immer nur von Trump auf dem Mond. Wer sind denn die anderen Astronauten?

Tja, die Frage ist noch nicht zu beantworten. Über die Zusammenstellung der übrigen Crewmitglieder herrscht noch Ungewissheit, denn Trump will erst kurz vor dem Start über verlässliche Begleiter entscheiden. Seine Mannschaft für einen Hinflug zum Mars hat er allerdings schon zusammengestellt. Es sind auffallend viele bekannte Namen darunter. Trumps Anwaltskanzleien haben vorsorglich verkündet, dass sich alle Mondflieger außerhalb der amerikanischen Gerichtsbarkeit bewegen werden und damit nicht für irgendwelche Anhörungen im Kongress zur Verfügung stehen werden.

  • Das wird den Demokraten aber gar nicht passen. Schließlich sind die noch jahrelang mit ihren Untersuchungsausschüssen beschäftigt.

Mag schon sein, Jupp. Aber die Demokraten sind auch clever. Sie haben angekündigt, die Steuerungssoftware für die Landefähre zu besorgen – bei Boeing. Die 737 Ingenieure haben schon ihre Bereitschaft bekundet und begründen dies mit ihren besonderen Fähigkeiten, unter hohem Zeitdruck geeignete Software zur Stabilisierung von Fluggeräten zu entwickeln.

  • Da guckt ja unsere Airbus-Industrie wieder in die Röhre, oder? Was sagt denn unsere europäische Raumfahrtagentur dazu?

Die ESA hat bereits verlauten lassen, dass sie wichtige Teile der Raumkapsel Orion bauen will. Erst kürzlich hat sie sich nach den Gesäßgrößen von Donald Trump für den Bau der Bordtoilette erkundigt. Etwas irritiert haben die ESA-Ingenieure allerdings auf die Vorgabe reagiert, dass das Auslassventil der Toilette gezielt über einige speziell gelistete Länder auslösbar sein soll. Auf ihre Anfrage hin hat Trump einen Wutanfall erlitten und per Dekret verfügt, dass nur noch original-amerikanische Bauteile verwendet werden dürfen.

  • Das bedeutet, dass unsere großartigen Leistungen in der Raumfahrt nicht mehr gewürdigt werden?

Zumindest nicht von den Amerikanern. Jens Spahn hat sich daraufhin als Kandidat für die ESA-Präsidentschaft ins Gespräch gebracht und versprochen, dass Europa seine eigene Mondmission starten wird. Zur Kosteneinsparung sollen maßgeblich die Bauteile des stillgelegten Airbus 380 eingesetzt werden. Unter seiner Leitung würden die disruptiven Innovationen wie Künstliche Intelligenz, Blockchain und Roboter einen deutschen Höhenflug erleben.

  • Sicher, unser Jens war schon immer für höhere Aufgaben berufen. Er braucht ja nur seine Pflegeroboter etwas umbauen. Die stolpern dann über die Mondlandschaft und heben Steine auf und servieren sie dem Chef.

Warum stolpern, Jupp? Wir sind schließlich Automobil-Weltmeister. VW-Chef Herbert Diess will eine solarbetriebene Mondversion des VW Touareg oder auf Wunsch auch einen Porsche Cayenne bereitstellen. Verkehrsminister Scheuer tendiert allerdings mehr zu BMW oder Daimler-Benz-Modellen. Ursula von der Leyen empfiehlt dagegen ihren besonders geländegängigen Schützenpanzer Puma für Kraterausflüge. Nebenbei kann er mit seiner 30 mm Kanone jede chinesische Raumsonde pulverisieren.

  • Da sieht unsere AKK mit ihrem neuen Flugzeugträger aber etwas armselig aus. Hat sich denn Friedrich Merz noch nicht gemeldet? Unsere Angela könnte ihn doch auch für die Marsmission vorschlagen, schließlich ist er doch bestens mit den Amerikanern vernetzt.

Aber ob seine Kontakte der deutschen Autoindustrie helfen werden? Trump hat vorsorglich angekündigt, von allen gelandeten Vehikeln einen Schutzzoll von mindestens 50% zu erheben. Und alle Astronauten von ausländischen Raumkapseln müssen zwecks Visa-Erteilung zunächst das Lunar Immigration Office des US-Heimatministeriums passieren. Nebenbei will er den Mond sportlich mit Golfplätzen erschliessen, denn die geringe Schwerkraft lässt beeindruckende Leistungen beim Abschlag zu.

  • Na, das verspricht ja ein buntes Treiben auf dem Mond zu werden. Später könnte man sogar eine Olympiade veranstalten. Denk mal nur an die Rekorde im Hoch- und Weitsprung, Hammer- und Speerwerfen! Das wird ein mediales Milliardengeschäft für die Medien.

Das Pentagon programmiert schon eine Armada von Drohnen, die per Twitter permanent Livebilder von Trumps Sprüchen und Aktionen übertragen sollen. Fox News erhält natürlich die Exklusive-Rechte für sämtliche Bild- und Filmdaten, alle übrigen Fakenews-Medien werden nicht beliefert. Rupert Murdoch wird eine ständige Fernsehstation auf dem Mond installieren und sammelt bereits eifrig Werbeanzeigen für das erste Golfturnier auf dem Mond ein.

Ingo Nöhr: Lunar Immigration Office

  • Aber wenn ich das alles so betrachte, Ingo, – dann bin ich mir nicht sicher, ob ich auf dem Mond überhaupt leben will. Glaubst du denn wirklich, dass unser Kneipenwirt dort in der Lage ist, eine perfekte Schaumkrone auf unser Bier zu produzieren?

Oh, Jupp, da sprichst du einen gewichtigen Aspekt an. Du hast recht. Da sollten wir bis zu unserer Reise zum Mond noch möglichst lange die Annehmlichkeiten in unserer Stammkneipe genießen.
– Herr Wirt, bitte zwei Bier, mit der üblichen Erdbeschleunigung.


‚Sag mal, was meinst du, wie weit die Sterne da oben von uns entfernt sind? Sind sie genauso weit weg wie der Mond, oder sind sie uns näher?‘
‚Du meinst die Löcher im Himmel? Die hat der Mann im Mond mit seiner Mondnadel reingepiekst, damit die Sonne durchscheinen kann, die dahinter schläft.‘

Walter Moers: Der Schrecksenmeister
(Anmerkung: noch schnell zitiert vor dem Ausbruch der EU-Urheberrecht-Richtlinie).