Wer von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, hat bereits einmal nach einem neuen (Fach-)Arzt gesucht? Ich hätte dies erst im letzten Jahr tun müssen, wenn ich nicht von der Nachfolgerin meiner in den Ruhestand gegangenen Ärztin einen sehr positiven Eindruck gehabt hätte. Der sich bisher auch bestätigt hat. Das war also einfach für mich!
Arztsuche über Bewertungsportale?
Was aber würde ich tun, wenn ich beispielsweise einen Mediziner einer ganz neuen Fachrichtung benötigen würde? Wahrscheinlich meine Hausärztin fragen oder mich im Bekanntenkreis umhören und – na klar – im Internet recherchieren. Oder auch zuerst irgendwen fragen und dann recherchieren. Aus Interesse und –sicherheitshalber. Denn Bewertungsportale gibt es heutzutage ja für alles, und selbstverständlich auch für Ärzte.
Aktuelle Rechtsprechung
Doch halt – ich erinnere mich daran, dass ich erst vor kurzem von einem Urteil des BGH (!) gegen das Bewertungsportal Jameda gelesen habe (siehe zum Beispiel hier). Worum es in diesem aktuellen Urteil ging, ist hier kurz, aber doch ausführlich genug beschrieben. Zusammengefasst: es geht um Meinungsfreiheit versus Persönlichkeitsrecht von Ärzten. Und es zeigt mir auch, dass es Geschäftsmodelle beziehungsweise einen (Werbe-)Markt gibt, der mir – als Zielgruppe Patient – bislang noch gar nicht bekannt war. Ich finde es durchaus problematisch, dass man sich offenbar Awareness erkaufen kann und dies dem Adressaten nicht unbedingt bewusst ist. Praxismarketing nennt sich dies auch. Neutralität sieht für mich anders aus. Aber gut – nun weiß ich um diese Verbindungen (ganz interessant in diesem Zusammenhang: eine Aufstellung einzelner Preismodelle ist beispielsweise hier nachzulesen).
Neutralität und Ausssagekraft
Apropos Neutralität: Weiterhin stellt sich die Frage – wie neutral und aussagekräftig sind die Bewertungen auf den einzelnen Bewertungsportale für Ärzte eigentlich? Kann ich überhaupt erkennen, ob es sich um eine tatsächliche Patientenmeinung oder eine Fake-Bewertung handelt? Und was haben die Bewertungen mit der medizinischen Kompetenz des jeweiligen Arztes zu tun? Können Patienten die ärztliche Fachkompetenz tatsächlich korrekt und neutral beurteilen (ich wäre beispielsweise vorsichtig bei einer Bewertung mit vielen medizinischen Fachausdrücken)? Oder zählt vielleicht doch in erster Linie ein persönlicher Eindruck, der je nach Patient ja vollkommen unterschiedlich ausfallen kann? Denn: letztlich hat jeder Patient ganz unterschiedliche, individuelle Ansprüche an einen Arzt. Für den einen zählen Freundlichkeit und Art der Kommunikation mehr als beispielsweise Wartezeit oder Erreichbarkeit… Und eine solche Aufzählung ließe sich noch beliebig fortführen. Öffentliche Erreichbarkeit und Entertainment (Bewertungskriterien bei Jameda) finde ich persönlich beispielsweise überhaupt nicht relevant.
Umgang mit Bewertungsportalen
Wenn ich Bewertungsportale wirklich nutzen möchte, muss ich mir also zuerst einmal darüber klar werden: was ist für mich wichtig, wenn ich mir einen neuen Arzt suche? Dann kann ich gezielt in den Bewertungen nach diesem Kriterium bzw. diesen Kriterien suchen. Dass auch andere Kriterien bewertet werden, kann ich als Add-on betrachten.
Interessant fand ich folgenden Link, der einen guten Überblick über Praxisbewertungsportale vermittelt und mir zeigt, welche Portale es überhaupt gibt und nach welchen Kriterien diese Portale bewertet worden sind. Von den dort genannten zehn Portalen kenne ich immerhin drei… Oder besser gesagt: nur drei. Jedoch: es sind wohl auch nicht mehr alle am Markt (esando.de beispielsweise ist jetzt offenbar ausschließlich eine Versandapotheke).
Erfahrungen mit Bewertungsportalen
Ich habe daher aus Interesse und zu Testzwecken einfach einmal einen meiner Ärzte, den ich seit vielen Jahren konsultiere, bei verschiedenen Portalen eingegeben. Und siehe da: die Bewertungen fallen je nach Portal anders aus. Wenn es auch eine Grundtendenz gibt. Interessant: ein Bewertungsportal kennt meinen Arzt nicht mal und auf anderen gibt es schlicht keine einzige Bewertung. Sehr nützlich…
Noch mal zu meinen persönlichen Erfahrungen: Ich erinnere mich daran, dass ich vor geraumer Zeit auf Empfehlung einen neuen Facharzt aufsuchen wollte und zu diesem auf einem Bewertungsportal mehrfach sehr negativ angemerkt wurde, dass dieser Arzt keine neuen Patienten mehr aufnimmt und eine telefonische Erreichbarkeit kaum gegeben sei. Offenbar seit Jahren. Mal schauen, dachte ich mir. Aber tatsächlich: Dies war eine Erfahrung, die ich dann genauso auch machen musste. Insofern waren diese Angaben korrekt und ich denke, dass ich, sollte ich zukünftig bei der Suche nach einem Arzt von mehreren Patienten bei den Bewertungen so etwas lesen, gar nicht mehr probieren würde, dort einen Termin zu bekommen. Hier geht es nicht um medizinische Kompetenz, sondern um Rahmenbedingungen, die ich allerdings wichtig finde (und deren Kenntnis für mich nützlich ist).
Mein Fazit
Bewertungsportale für Ärzte können gewisse Anhaltspunkte beziehungsweise eine erste Orientierung geben. Es bietet sich aber eher nicht an, den anonymen Bewertungen vorbehaltlos zu vertrauen. Insbesondere, da sie in Einzelfällen teilweise recht extrem ausfallen können – positiv wie negativ! Schwierig finde ich es auch, wenn es insgesamt nur eine sehr geringe Anzahl Bewertungen gibt, eventuell sogar nur ein oder zwei Patientenmeinungen. Dies kann nicht annähernd repräsentativ sein. Gleichwohl kann eine größere Anzahl positiver wie negativer Bewertungen sehr wohl eine gute Indikation darstellen. Es gilt eben, ein paar Dinge zu beachten und kritisch mit den Bewertungen umzugehen (ein interessanter Artikel zum Thema findet sich auch nochmal hier).
Für mich steht fest, dass meine Prioritäten bei der Arztwahl und letztlich vor allem mein persönlicher Eindruck immer maßgeblich sein werden. Denn eine Praxis und ein Arzt muss letztlich zu mir und meinen Bedürfnissen passen und nicht zu einem mir unbekannten Patient XYZ.
Mehr zum Thema Arzt- und Praxisbewertungen im Netz finden Sie in unserem Themenspecial Arztbewertungsportale hier im Blog!
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