Videosprechstunde hurra! – Ach, doch nicht.

Folgendes stimmt: Seit dem 01.04.2017 – drei Monate früher als ursprünglich geplant – bezahlen die Krankenkassen die Videosprechstunde für gesetzlich Versicherte.

Heißt das, die Wartezimmer werden nun leerer – und wir können uns bei einem Magen-Darm-Infekt das Rezept vom Bett aus ausstellen lassen, statt uns nach draußen zu begeben und den halben Stadtteil anzustecken? Leider nein.

Während Otto Normalhausarzt zwar durchaus zu den Fachgruppen gehört, die prinzipiell eine Videosprechstunde anbieten dürften, ist ihr Einsatz jedoch auf genau die folgenden Indikationen begrenzt:

  • Postoperative Verlaufskontrolle einer Operationswunde oder Verlaufskontrolle anderer Wunden
  • Verlaufskontrolle von Hauterkrankungen
  • Beurteilung von Bewegungseinschränkungen oder Bewegungsstörungen als Verlaufskontrolle
  • Beurteilung der Stimme und/oder des Sprechens und/oder der Sprache als Verlaufskontrolle
  • Anästhesiologische postoperative Verlaufskontrolle

Das heißt, selbst wenn der Hausarzt sich nun live ans heimische Krankenlager schaltet, wird sich das Gespräch auf folgende Themen beschränken müssen:

  • „Zeigen Sie mal Ihre Wunde. Aha, sieht doch gut aus.“ (Oder: „Das hat sich infiziert. Da müssen Sie reinkommen:“)
  • „Was macht denn der Ausschlag? Hm. Juckt das auch?“
  • „Gehen Sie mal ein paar Schritte. Und jetzt zurück.“
  • „Guten Morgen. […] Bitte? […] Was haben Sie gesagt? […] Ja, so eine Stimmbandlähmung kann eine langwierige Angelegenheit sein.“
  • „Und? Ist Ihnen noch schlecht?“

Die Videosprechstunde auch bei anderen Erkrankungen anzubieten, ist dem Hausarzt wohlgemerkt nicht verboten – er bekommt nur kein Geld dafür. Und selbst bei den oben beschriebenen Indikationen ist die Vergütung der Videosprechstunde so mager, dass im günstigsten Fall etwa 100 EUR pro Quartal übrigbleiben. Nicht pro Patient, sondern pro Praxis, und zwar nur dann, wenn er die benötigte Hardware schon in der Praxis stehen hat und einen der günstigsten Software-Anbieter wählt.

So viel also zum Thema, wie man niedergelassene Ärzte in Deutschland erfolgreich davon abschreckt, ihre Dienste so anzubieten, wie es für die Patienten und sie selbst komfortabel ist. Dabei sollte man eigentlich fordern: Wenn schon Videosprechstunde, dann beim Hausarzt Deines Vertrauens und nicht bei einem DrEd-Klon, denn: Wenn wenn tatsächlich eine schwerwiegende Erkrankung vorliegt, kann der Hausarzt sofort einen Besuch in der Praxis anordnen, eine Krankenhauseinweisung, oder auch selbst vorbeikommen. Außerdem weiß der langjährige Hausarzt besser einzuschätzen als ein völlig fremder Arzt, ob das Häufchen Elend, das in der Videosprechstunde auf der Wohnzimmercouch liegt, sich auch sonst von jedem Schnüpfchen umwerfen lässt, oder ob der Patient sonst robust ist und somit wirklich ein Problem hat.

Die Möglichkeit einer pragmatischen Videosprechstunde in Deutschland ist aber, so scheint es, bisher nur wenig nähergerückt. Anbieter in anderen Ländern bereiten sich darauf vor, in die Lücke zu springen – mehr dazu bald hier im Blog.

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  1. Tele-Medizintourismus in Russland – blinkenmed.xyz

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