Robotik in der Pflege: Praxisevaluation statt nur Meinungen

Ein Gastbeitrag von Ingolf Rascher von der AAL-Akademie.


In den Medien ist die Berichterstattung über Roboter nicht mehr zu übersehen. Die Diskussion ist in Deutschland angekommen, und durch Forschungsprogramme werden weitere Ergebnisse in Wissenschaft und Praxis erwartet. So war es nur eine Frage der Zeit, bis das Thema auch in der Pflege ankommt. Die Eindrücke von Robotik sind nicht selten durch schlechte Medienberichterstattung geprägt, oder durch Einschätzungen von Personen, die allenfalls einmal an einer Informationsveranstaltungen mit der humanoiden Roboterplattform „Pepper“ teilgenommen haben.

Die aktuelle Diskussion wird beherrscht von Aufmachern wie „Roboter gegen den Pflegnotstand“, „Roboter übernehmen die Arbeit im Altenheim“, bis hin zu „Pepper kommt – ach, ist der niedlich“. Aus Sicht des Autors gibt es für die anwendungsnahe Robotik in der Pflege erhebliche Potenziale. Die alleinige theoretische Beschäftigung mit dem Thema wird jedoch nicht ausreichen.

Benötigt werden gut evaluierte Praxiserfahrungen

Diese Einschätzung ist geprägt durch Erfahrungen der AG Robotik der AAL Akademie, die im Oktober 2018 zum Aufbau eines Forschungs- und Praxiszentrums „Robotik und KI in der Pflege“ führte.

Zu den Aufgabenfeldern des Zentrums gehören

  • Analysen zu konkreten Tätigkeitsprofilen der Robotik in der Pflege,
  • Erfassung von Indikatoren, die zur Investitionsbereitschaft beitragen,und
  • Akzeptanz-Untersuchungen und Fragestellungen im Bereich ELSI (Ethische, rechtliche und soziale Implikationen).

Kennzeichen der gemeinsamen Forschung und Entwicklung sind die intensive Kommunikation der Teilnehmer, die Einrichtung von Arbeitsgruppen, die Nutzung gemeinsamer Ressourcen, etwa zum Test und zur Validierung sowie zur gemeinschaftlichen arbeitsteiligen Lösung von Problemen.

Das Institut sieht sich auch als Ansprechpartner und Wissensträger für Anfragen von Dritten zu Fragen im Zusammenhang mit dem Einsatz von Robotersystemen und KI für die Pflege.

Aktueller Stand „Robotik und KI in der Pflege“

Was ist bisher passiert?

Frau X umarmt PepperIn einem ersten Schritt wurde ein Fragebogen entwickelt und in Umlauf gebracht. Von 207 angeschriebenen Einrichtungen haben 163 geantwortet und 84 haben eine Unterstützung zugesagt. Die thematische Vertiefung erfolgte mittels 40 leitfadengestützte Telefoninterviews. Regulatorische Anforderungen wurden erfasst und potenzielle Einsatzbereiche geclustert. Für die ersten Piloten wurden Szenarien in der Pflege (unterstützende Pflegearrangements, Therapieunterstützung in der Emotionsarbeit, psychosoziale Betreuung und Nachtwache) festgelegt, die ein hohes Anwendungspotenzial aufweisen. Die Erarbeitung erfolgte mittels partizipativer Verfahren und Konsenskonferenzen.

Seit Oktober 2018 bis voraussichtlich Februar 2019 werden Prozessanalysen für festgelegte Szenarien durchgeführt und mittels der Prozessmodelierungssoftware SeeMe visualisiert. Neben zahlreichen Terminen zur Öffentlichkeitsarbeit für Beschäftigte in der Pflege, Auszubildende, Verbände, Demenzsupportzentren werden noch bis Ende Dezember 2018 in speziellen Bereichen wie der Tagespflege und in Demenzbereichen teilnehmende Beobachtungen in der Interaktion zwischen Pepper und Bewohnern durchgeführt. Ein Ziel ist es, herauszufinden wie Roboter den Pflegekräften wieder mehr Zeit geben können, wie die direkte Interaktion mit den zu Pflegenden gestaltet werden kann und welche Grenzen es gibt. Das häufig gehörte „prinzipiell möglich“ heißt nicht, dass alles im Praxiseinsatz auch funktioniert.

Auf der Hardwareseite wurden existierende Roboterplattformen mit deutschen, europäischen und japanischen Partnern analysiert und bewertet. Verbessert werden soll unabhängig von den Szenarien insgesamt die Navigation, die Sprache sowie die Emotionsarbeit. Um eine größere Bandbreite abzudecken, wird das Portfolio für den Einsatz in der Pflege ab April 2019 neben „Pepper“ um drei weitere Plattformsysteme ergänzt. Eine erste Testung mit Pepper ist für März 2019 vorgesehen – dann gehen die ersten humanoiden Roboter als „Praktikanten“ in kooperierende Altenpflegeeinrichtungen.


Bildmaterial: mit freundlicher Genehmigung von I. Rascher.