Interview: Von der Praxis zur App zur Praxis – Gründen als Ärztin

Ärztin und Unternehmerin: Als Dr. Shabnam Fahimi-Weber in ihrer großen HNO-Praxis feststellte, dass ein komfortables Tool zum Terminmanagement fehlte, nahm sie die Sache selbst in die Hand. Das war 2016, und seit 2018 ist ihre Online-Terminverwaltungslösung dubidoc nun auf dem Markt. Eingesetzt wird dubidoc schon in zahlreichen Praxen verschiedener Fachrichtungen an Rhein und Ruhr.

Ich habe mich mit der Gründerin in ihrem Büro in Essen getroffen, um über ihre Motivation, ihren bisherigen Weg und Ärzte als Gründer zu sprechen.


Vielen Dank, Shabnam, dass Du Dich zu einem Interview bereit erklärt hast. Mit der Praxis und dem Startup hast Du nun zwei Unternehmen. Wie befruchten sie sich gegenseitig?

Ohne die Praxis würde dubidoc natürlich nicht existieren. Es war enorm vorteilhaft, dass ich als Ärztin eine Idee hatte und diese in kleinen Schritten direkt in meinem Alltag überprüfen konnte!

Wir haben Features eingebaut, die wir am nächsten Tag in der eigenen Praxis getestet. Und manchmal sagen die Patienten auch: „Das ist ja völliger Schwachsinn.“ Erst vor ein paar Wochen wieder passiert.

Wie lang gab es die Praxis schon, als Du mit dem Projekt angefangen hast?

Ich bin seit 15 Jahren niedergelassen, die Firma wurde 2016 gegründet, 2017 war die Betaphase, und das Produkt gibt es nun seit 2018.

Was war der Anstoß für diese Entwicklung? Hast Du in der Praxis gemerkt, dass etwas fehlt?

Meine Praxis war zunächst klein. Der Druck wuchs dann aufgrund der Veränderungen im Gesundheitswesen, so dass unsere Praxis — wie so viele Praxen — gewachsen ist. Da habe ich dann gemerkt, bei den größeren Patientenströmen, dass sehr viel Personal an der Anmeldung gebunden war, und zwar für Aufgaben, die man eigentlich sehr gut digitalisieren könnte.

Ich habe die Idee dann aufgeschrieben, Professor David Matusiewicz von der FOM kontaktiert, und mit ihm und einem Doktoranden haben wir das Konzept dann erst mal ausgearbeitet. Ich habe währenddessen geschaut, ob es überhaupt einen Markt gibt, und gängige Terminvereinbarungssysteme ausprobiert.

Es gab hier einerseits Systeme, die Teil der Praxisverwaltungssoftware waren und aufgrund der Datenschutzvorschriften daher sehr geschlossen, und andererseits Online-Systeme, die unzureichend mit dem Praxissoftware integriert waren. Das führte zu Arbeiten, die mehrfach durchgeführt werden mussten, und gerade das wollte ich vermeiden. Ich wollte einen Teil der Arbeit an die Patienten auslagern, und das System für die Patienten auch maximal attraktiv machen — etwa mit der Wartezeitenprognose.

Ein weiterer Schwerpunkt war die Benutzerfreundlichkeit für die Mitarbeiter. Es sind mittlerweile 28 nicht-ärztliche Mitarbeiter bei uns in der Praxis, wir haben eine geringe Fluktuation — glücklicherweise, bei dem aktuellen Fachkräftemangel in der Branche. Ein weiteres Argument dafür, den Mitarbeitern den Arbeitsalltag attraktiv zu gestalten.

[socialpug_tweet tweet=“dubidoc ist jetzt so einfach zu bedienen, dass wir die Telefonzentrale mit Studenten besetzen können.“ display_tweet=“@dubidoc ist jetzt so einfach zu bedienen, dass wir die Telefonzentrale mit Studenten besetzen können — sagt Gründerin Dr. Shabnam Fahimi-Weber über ihr Terminmanagementsystem.“]

Wie haben die Mitarbeiterinnen die Umstellung denn angenommen?

Es hat ungefähr drei Monate gedauert, bis sie gemerkt haben, dass das System den Arbeitsalltag tatsächlich leichter macht. In Praxen arbeiten ja häufig Menschen, die nicht besonders computeraffin sind — auch das wird bei dubidoc berücksichtigt. In kleinen Praxen sind oft schon nach einer Woche alle Mitarbeiter eingearbeitet.

Aber, man mus ssagen: Am Anfang habe ich meinen Mitarbeitern schon einiges zugemutet. Es waren ja auch noch Bugs im Programm. Das ist heutzutage für unsere Kunden natürlich deutlich leichter.

Was denkst Du ist der Grund dafür, dass nicht mehr Ärztinnen und Ärzte gründen?

[socialpug_tweet tweet=“Grund, warum #Ärztinnen und #Ärzte nicht gründen: Sie stecken in einem Hamsterrad fest. via @dubidoc #ehealth #digitalisierung #gesundheitswesen #entrepreneurship“ display_tweet=“Sie stecken, was die Zeit angeht, einfach in einer Zwickmühle, in einem Hamsterrad.“]

Der ärztliche Alltag hat sich in den letzten 10, 15 Jahren enorm verändert. Die Sprechzeiten wurden vielleicht nicht erweitert, aber wir sehen in dieser Zeit so viel mehr Patienten! Und die Patienten werden älter. Ärzte sind oft einfach nur erschöpft — zu erschöpft, um sich mit der Digitalisierung zu beschäftigen. Hinzu kommen die Fortbildungen, die viel Zeit einnehmen. Ärzte haben einfach zu viele Nebenschauplätze.

Dabei sind Ärzte kreativ, sowohl in den Praxen als auch in den Kliniken. Die Niedergelassenen sind in vielen Fällen ja ohnehin Unternehmer.

Dr. Shabnam Fahimi-Weber von dubidoc

Was motiviert, ist die Erfahrung, dass Digitalisierung die Arbeit erleichtert. Netzwerkarbeit macht es auch leichter: Hier baut man nicht nur etwas nützliches, sondern hat auch Spaß dabei.

Ich glaube, dass die Praxisverwaltungssysteme so viel Strenge in die Digitalisierung bringen, dass das bei den Kollegen zu sehr viel schlechten, abschreckenden Erfahrungen geführt hat. [socialpug_tweet tweet=“Außerdem gibt es in Deutschland unvorstellbare Monopole, was die Praxisverwaltungssysteme angeht! Da steckt so viel Geld drin, und die Wechselhürden sind so hoch. #ehealth #digitalhealth #pvs #arztpraxis #arztsoftware“ display_tweet=“Außerdem gibt es in Deutschland unvorstellbare Monopole, was die Praxisverwaltungssysteme angeht! Da steckt so viel Geld drin, und die Wechselhürden sind so hoch.“] Die Systeme werden so entwickelt, dass Nutzer über Jahrzehnte gebunden werden und gar keine Wahlfreiheit mehr hat. Die von der KBV verlangten Zertifikate und das Datenschutzthema machen die Situation nicht besser.

Wie könnte man das Problem lösen? Gesetzlich?

Wir müssen das selbst aktivieren: in den Verbänden und Gruppen. Wir müssen uns selbstständiger machen. Und unsere Mitarbeiter mitnehmen und schulen.

Ich sehe auch eine Tendenz, dass die jüngere Generation sich mehr einbringt. Es ist jedenfalls wahnsinnig wichtig, dass die Ärzteorganisationen — Marburger Bund, Ärztekammern — Netzwerke hierzu entwickeln. Wenn man von ärztlicher Seite das mal in die Hand nehmen und sagen würde, „Das ist mindestens so wichtig wie alle anderen Fortbildungen, die ich mache“, dann könnten wir etwas ändern. Aber der Weg ist steinig.

Es ist nicht so einfach, mit den Kollegen über Digitalisierung ins Gespräch zu kommen. Durch Druck von außen — vor allem vom Patienten! — hat sich auch schon Fortschritt gezeigt. Patienten sehen nicht ein, dass sie bei der Flugbuchung, beim Bürgeramt und überall komfortabel digital reservieren können, aber dann eine Stunde in der Praxis sitzen müssen. Die Patienten werden die Entwicklung vorantreiben, und das ist gut.

Das ist auch einfach eine betriebswirtschaftliche Frage: [socialpug_tweet tweet=“Die Praxen sind auf eine Verjüngung des Patientenstamms angewiesen. (…) Und die werden von komfortablen digitalen Angeboten angezogen. #digitalhealth #ehealth #arztpraxis“ display_tweet=“Die Praxen sind auf eine Verjüngung des Patientenstamms angewiesen. Du kannst heutzutage nur mit einem guten Patientenmix überleben — schwierige, komplizierte Fälle, aber auch leichte Fälle, also junge Patienten. Und die werden von komfortablen digitalen Angeboten angezogen.“]

Vielen Dank!

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